Der Michel: Hamburgs „wahres“ Wahrzeichen
- Update:
- Hamburg
Landungsbrücken hin – Köhlbrandbrücke oder Elbphilharmonie her. Das „wahre“ Wahrzeichen Hamburgs ist und bleibt die Hauptkirche Sankt Michaelis, die in der ganzen Welt unter ihrem volkstümlichen Namen „Michel“ bekannt ist. Das Gotteshaus ist nicht nur die schönste Barockkirche Norddeutschlands, sondern bietet vom Turm die wahrscheinlich beste Aussicht auf Hamburg.
- Michel-Geschichte: Erzengel Michael, 2 Großbrände, Rekonstruktion, Glocken
- Michel-Tipps: So geht’s zum Michel
- Michel von außen: Barockbau, Aussichten auf den Michel, Turmuhr
- Michel von innen: Kunstschätze, Altar, Orgeln, Krypta
- Michel von oben: Aussichtsplattform, Nachtmichel, Türmer
- Michel-Umgebung: Zitronenjette, Old Commercial Room, Hafen
Evangelische Hauptkirche, genannt „Michel“ | Anschrift: Englische Planke 1, 20459 Hamburg (Neustadt)
- Allgemein: Barockkirche mit kreuzförmigem Kirchenschiff (2.500 Plätze), Turm 132 m hoch
- Geschichte: Heutiger Kirchenbau wurde 1912 fertiggestellt; 2 Kirchenbauten aus dem 17. und 18. Jh. wurden zuvor durch Feuer vernichtet
- Sehenswert: Kirchenbau im Barockstil mit 132 m hohem Turm, Kirchenraum mit 5 Orgeln, Krypta
- Besichtigungen: Kirchenraum täglich 10.00-19.00 Uhr, 2 € Spende erbeten; Orgelkonzert um 12.00 Uhr | Turm 10.00-18.30 Uhr, Eintritt 6 € | Nachtmichel: täglich 20.00-23.00 Uhr, Eintritt 11,50 €
- Entfernung: 1,4 km vom Rathaus (zu Fuß)
- ÖPNV: Bus 37 ab Rathausmarkt bis Michaeliskirche | U3 bis Baumwall oder St. Pauli, jeweils 650 m Fußweg
ÖPNV: Hamburgs Bahnen, Busse und Schiffe. Wie ihr einfach und günstig die Hansestadt erkundet, erkläre ich euch in diesem Beitrag
Mein Bild von Hamburg ist vom Michel geprägt. Es ist ein unvergleichliches Erlebnis bei Sonnenuntergang an Bord einer Linienfähre auf der Elbe dem Michel entgegen zu fahren. Der 132 m hohe Turm der Hauptkirche Sankt Michaelis thront regelrecht über dem Hafen mit den Landungsbrücken. Welche Gefühle hatten früher Seeleute, wenn sie nach monate- oder gar jahrelanger Abwesenheit dieses Bild vor sich hatten? Der Michel hat es geschafft, für uns ein wenig von dieser Seefahrerromantik bis in die heutige Zeit zu erhalten. Dabei hat diese Kirche in ihrer rund 375jährigen Geschichte wiederholt heftigste Schläge einstecken müssen. Zweimal wurde sie durch Feuer vollständig zerstört.
Schon der erste Kirchenbau wurde bei seiner Fertigstellung im Jahr 1669 nach dem Erzengel Michael benannt. Er gilt im Christentum als unerschrockener Bezwinger des Satans. Eine große Bronzestatute des Namensgebers befindet sich auch heute noch über dem Hauptportal des Michels. Doch der erste Barockbau sollte nur für 81 Jahre bestehen. Ein Blitzschlag im März 1750 führte zur vollständigen Zerstörung der Kirche. Schon ein Jahr später wurde an gleicher Stelle der Grundstein für den zweiten Bau gelegt, der schließlich im Jahr 1786 mit der Fertigstellung des mit Kupfer verkleideten Holzturms abgeschlossen wurde.
Rekonstruktion im Barockstil
Lötarbeiten an dieser Kupferverkleidung führten im Juli 1906 zu einem weiteren Großfeuer, bei dem Teile des Turms auf das Kirchenschiff stürzten, das bis auf die Grundmauern niederbrannte. Nach heftigem Streit über den Wiederaufbau setzten sich schließlich die Befürworter einer weitgehenden Rekonstruktion des abgebrannten Kirchenbauwerks durch. Allerdings wurde die frühere Holzkonstruktion durch feuerfesteren Stahl und Beton ersetzt. Nach nur sechs Jahren wurde die Hauptkirche Sankt Michaelis im Jahr 1912 wieder eingeweiht. Gegen Ende des 2.Weltkriegs kam es bei Bombenangriffen auf Hamburg zu erheblichen Beschädigungen des Kirchenschiffs, während der Turm weitgehend verschont blieb. Die Schäden wurden ab 1947 innerhalb von fünf Jahren beseitigt, sodass Sankt Michaelis im Jahr 1952 erneut eingeweiht werden konnte. Heute ist sie eine von fünf Hauptkirchen Hamburgs.
Jahrtausend Glocke
Im Turm von Sankt Michael ist das Geläut untergebracht, das aus insgesamt zehn Glocken besteht. Sechs davon bilden das Glockengeläut. Dazu kommen noch vier Uhrschlagglocken. Zwei dieser Glocken konnten im Jahr 2015 mit den Mitteln angeschafft werden, die die Spendenaktion „So klingt Hamburg“ eingebracht hatte. Die ursprünglichen Glocken waren gegen Ende des 1.Weltkriegs zu Gunsten der Rüstungsindustrie eingeschmolzen worden. Bereits im Jahr 2008 wurde die neue große Glocke installiert. Sie erhielt nicht zuletzt wegen ihres Gewichts von 9 Tonnen und dem gewaltigen Ton den Namen „Jahrtausend Glocke“. Die Vorgängerin war ebenfalls im Jahr 1917 für die Rüstung beschlagnahmt und eingeschmolzen worden.
So geht's zum Michel
Die Hauptkirche Sankt Michaelis steht in der Hamburger Neustadt etwas zurück versetzt an der Ludwig-Erhard-Straße, die früher einmal Ost-West-Straße hieß und bis heute von vielen Hamburger*innen immer noch so genannt wird. Vom Rathaus sind es über die Straßen Alter Wall und Rödingsmarkt etwa 1,4 km zu Fuß. Ihr könnt auch die Buslinie 37 ab Rathausmarkt bis zur Haltestelle Michaeliskirche nehmen. Die nächsten U-Bahn-Stationen der Linie 3 sind Baumwall (am Hafen, gegenüber der Elbphilharmonie) oder St. Pauli, die beide etwa 650 m entfernt sind. Für den Besuch solltet ihr inkl. Turm etwa 1,5 Stunden einplanen.
Barocker Sakralbau
Es ist nahezu unmöglich die ganze Michaeliskirche mit ihrem 52 m langen, 44 m breiten und 27 m hohen Kirchenschiff sowie dem 132 m hohen Turm sehen bzw. fotografieren zu können. Von der gegenüberliegenden Seite an der Ludwig-Erhard-Straße ist die Distanz einfach zu gering, um Fotos von dem gesamten barocken Sakralbau machen zu können. Auf der Rückseite gibt’s auf der Michelwiese zwar genügend Abstand. Dort verhindern jedoch Gebäudeteile des Gemeindehauses, Bauarbeiten und Bäume den freien Blick auf die ganze Kirche. Meistens ist deswegen auf Abbildungen nur der markante Turm zu sehen, wenn vom Michel die Rede ist.
Größte Turmuhr Deutschlands
Die besten Ausblicke auf den weltweit zehnthöchsten Kirchturm habt ihr zweifelsohne vom Hafen aus, wenn ihr mit einer Fähre oder einem Rundfahrtboot auf der Norderelbe unterwegs seid. An dem charakteristischen Kirchturm sticht sofort die Turmuhr ins Auge. Die vier in alle Himmelsrichtungen weisenden Ziffernblätter haben Durchmesser von jeweils acht Metern. Die Zeiger erreichen Längen von 4,91 Meter bzw. 3,65 Meter. Damit ist die Turmuhr am Michel die größte Kirchenuhr Deutschlands. Auffallend ist auch das Martin-Luther-Denkmal an der Nordseite, das von dem deutschen Bildhauer Otto Lessing zur Einweihung des heutigen Kirchenbaus im Jahr 1912 erschaffen wurde.
Historische Kunstschätze
Der imposante Kirchenraum erstrahlt in den Farben Weiß und Gold. Zu den historischen Kostbarkeiten gehören das spätbarocke Taufbecken, das Mitte des 18. Jh. im italienischen Livorno angefertigt wurde, sowie die marmorne Abdeckung des Taufbeckens. Aus dem Jahr 1763 stammt der Gotteskasten im Gang zur Südempore. Darin wurde einst das Vermögen der Kirche aufbewahrt und die Kollekte gesammelt. Dagegen wurde der 20 m hohe Marmor-Altar mit Bildnissen der evangelischen Kirchengeschichte erst während des dritten Neubaus im Jahr 1910 erschaffen. Auf den hölzernen Bänken im Grund des Kirchenschiffes sowie auf den Emporen können bis zu 2.500 Menschen Platz finden. Traditionell begehrt sind diese Plätze bei den Konzerten und Evangelischen Gottesdiensten zur Weihnachtszeit.
Die Orgeln des Michels
Seit jeher ist der Michel für seine Orgeln berühmt. Heute verfügt die Kirche über fünf dieser Großinstrumente, wobei zwei besonders herausragen: Die zu Beginn der 1960er Jahre auf der Westempore aufgebaute Steinmeyer-Orgel gilt als bedeutendes Beispiel für den Orgelbau im 20. Jh. Bereits aus dem Jahr 1914 stammt die Konzertorgel auf der Nordempore, die von der dänischen Firma Marcussen & Søn erbaut wurde. | Der Kirchenraum kann täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr außerhalb von Gottesdiensten und geschlossenen Veranstaltungen besucht werden. Dafür wird um eine Spende in Höhe von 2 € pro Person gebeten. Zudem finden täglich ab 12.00 Uhr Orgelkonzerte statt, für die ebenfalls um eine Spende gebeten wird.
Krypta mit Ausstellung
Das Kirchenschiff ist mit Gewölben unterkellert, die Mitte des 18. Jh. angelegt wurden, um mit dem Verkauf von Grabstellen den damaligen Wiederaufbau mitfinanzieren zu können. Insgesamt sind in der Krypta die Namen von annähernd 2.500 dort Bestatteten bekannt, darunter Komponisten Johann Mattheson und Carl Philipp Emanuel Bach, der auch der „Hamburger Bach“ genannt wird, sowie der Architekt Ernst Georg Sonnin, der den ersten Wiederaufbau des Michels leitete. In der Krypta ist zudem die Ausstellung „Michaelitica“ zur Geschichte der Kirche zu sehen sowie ein halbstündiger Film über die Historie Hamburgs.
Blick auf die Elbphilharmonie vom Michel-Turm
Viele Hamburger*innen sind überzeugt, dass man von der Aussichtsplattform des Michels in 106 Metern Höhe die besten Aussichten über ihre Stadt hat. Dabei müsst ihr allerdings die ersten 52 Stufen zu Fuß überwinden bis ihr in den Aufzug einsteigen könnt, der euch in Windeseile zur Aussichtsplattform befördert. Um Gruppenbildungen jetzt in „Corona-Zeiten“ zu vermeiden, müsst ihr für den Weg nach unten komplett das Treppenhaus nehmen. Aber diese Mühe lohnt sich unbedingt, weil ihre großartige Ausblicke auf Hafen, Elphi, Rathaus, Außenalster und weite Teile der Stadt habt. | Turmbesichtigung täglich zwischen 10.00 und 18.30 Uhr; Preis 6 € – weitere Infos
Am Abend bläst der Türmer
Bei klarem Himmel lohnt es sich bestimmt auch abends auf den Michel zu fahren. Die Auffahrten per Aufzug sind im Sommer täglich ab 20.00 Uhr möglich und kosten 11,50 Euro. Weitere Informationen zu der Tour „Nachtmichel“ findet ihr auf der Website der Event-Agentur Bobsin. Dabei könnt ihr dann auch den Michel-Türmer erleben, der täglich um 21.00 Uhr – wie auch schon um 10.00 Uhr am Vormittag – auf seiner Trompete Choräle in alle vier Himmelsrichtungen spielt. Das ist eine Hamburger Tradition, die schon während der Reformation Ende des 15. Jh. entstand und seit 300 Jahren auf dem Turm der Sankt Michaelis Kirche fortgeführt wird. Bis Mitte des 19. Jh. wurden vom Michel-Türmer die morgendliche Öffnung und die abendliche Schließung der Stadttore verkündet.
Zitronenjette und Labskaus
Bei eurem Michel-Besuch solltet ihr auch die nähere Umgebung erkunden. An der Ludwig-Erhard-Straße steht links neben der Kirche eine Statue, die das tragische Hamburger Original „Zitronenjette“ darstellt. Gemeint ist damit die 1916 verstorbene Henriette Müller, die nur 1,32 m klein war und ihr trauriges Leben mit dem Verkauf von Zitronen bestritt. Gegenüber vom Hauptportal des Michels liegt das traditionelle Restaurant „Old Commercial Room“, das sich selbst für den „besten Labskaus“ lobt. Auf der Rückseite des Kirchenbaus gelangt ihr entlang der Michelwiese und an dem futuristisch wirkenden Gebäude des Verlags Gruner + Jahr (Stern, Brigitte, Geo, Capital) vorbei zur Elbpromenade am Hafen.
Das war mein Besuch im und auf dem Michel, der wunderschönen Kirche mit der herrlichen Rundumsicht auf Hamburg. Wenn euch der Beitrag gefallen hat, empfehlt ihn gern mit diesem Link weiter: https://horst-mueller.de/der-michel/