Besser im Netz und mit doppeltem Boden

Wer künftig in der Medienbranche Erfolg haben will, braucht heute schon eine ansprechende Digitale Visitenkarte. Bei Medienstudenten hat sich diese Erkenntnis bislang jedoch nur unzureichend herumgesprochen. Zu viele beschränken ihre Netzaktivitäten auf Facebook oder Jodel und ma­nö­v­rie­ren sich damit möglicherweise schon ins Aus, bevor die berufliche Karriere überhaupt begonnen hat. In dieser Woche leistete Alexander Schulz, Chef des Bewegtbildproduzenten „Die Filmagentur“, Überzeugungsarbeit bei angehenden Mastern: „Nutzt eure Zeit in Mittweida auch dazu, um eure spätere berufliche Karriere vorzubereiten“

Alexander Schulz beim "Kreuzverhör" durch angehende Master des Studiengangs Media and Communication Studies

Alexander Schulz ist ein jovial erscheinender junger Mann, dem man schnell anmerkt, dass er einfach rundum zufrieden ist. Der inzwischen 32jährige hat den Bachelor of Mediatechnics sowie den Master of Information and Communication Science an unserer Fakultät erworben. Heute betreibt er gemeinsam mit seinem früheren Kommilitonen Fabian Schmidt „Die Filmagentur“, eine Kommunikationsagentur für Filmproduktionen mit Firmensitzen in Berlin, Dresden, Leipzig, Stuttgart und Zürich. Zu den Kunden zählen inzwischen  so namhafte Marken wie Audi, Daimler, Total Deutschland und der Uhrenhersteller Glashütte. Vor einem Jahr traf ich „meinen“ Ex-Studenten zufällig in Dresden, als er am neustädtischen Elbufer Szenen für einen Werbespot im Auftrag von Amazon drehte.

Alexander Schulz bei Dreharbeiten für einen Amazon-Werbespot am Dresdner Elbufer | Bild: Julia Müller

Am vergangenen Mittwoch hatte ich Alexander zu Gast in meiner Veranstaltung zum Thema „Selbständigkeit in den Medien“. Fast zwei Stunden lang nahmen ihn Masterstudenten in das gut vorbereitete „Kreuzverhör“. Wie gewohnt, beantwortete der erfolgreiche Agenturchef und leidenschaftliche Filmemacher die Fragen der Studierenden nicht nur souverän, sondern vor allem auch ehrlich. Alexander machte beispielsweise überhaupt kein Geheimnis daraus, dass Fabian und er auch schon mal „ein ganz schlechtes Gefühl“ hatten, wenn wochen- oder gar monatelang kein neuer Auftrag hereinkam. Dieser „Nervenkitzel“ ist zum Glück inzwischen verflogen. „Die Filmagentur“ ist zu einer festen Größe in der Werbebranche geworden und inzwischen selbst ein lukrativer Arbeitgeber für Kameraleute, Cutter oder Ausstatter.

"Da will ich den YouTube-Kanal sehen"

Am Ende seines „Gastspiels“ hat Alexander für seine Nach-Nachfolger an der Fakultät Medien noch einen dringenden Rat: „Nutzt eure Zeit in Mittweida auch dazu, um eure spätere berufliche Karriere vorzubereiten“. Dazu empfiehlt er den heutigen Studierenden eigene Blogs oder YouTube-Kanäle aufzubauen und führt auch gleich die Einstellungspraxis im eigenen Unternehmen als Beispiel an. Für ihn seien „Arbeitsproben und Nachweise im Netz“ unbedingte Voraussetzungen für eine künftige Zusammenarbeit. „Da will ich den YouTube-Kanal sehen“, sagt Alexander entschieden. Eine ansprechende digitale Visitenkarte mit aktuellen Arbeitsproben sei ihm viel wichtiger als Bewerbungsmappen und Abschlussurkunden.

Tino Kreßner als Referent beim Medienforum Mittweida 2014 | Bild: Hochschule Mittweida

Dabei mag sich Alexander an den Beginn der eigenen beruflichen Karriere erinnern. Gemeinsam mit seinem heutigen Partner Fabian Schmidt und Tino Kreßner, der später Deutschlands erfolgreichste Crowdfunding Plattform „Startnext“ aufbaute, gründete er bereits während des Bachelorstudiums die erste eigene Firma. Die drei Kommilitonen „bauten“ Websites und drehten Imagefilme für ihre Kunden. Höhepunkt der „studentischen Nebentätigkeiten“ war seinerzeit die Produktion des weltweit ersten interaktiven Spielfilms. Zwischen 2007 und 2009 produzierten die drei damaligen Mittweidaer Medienstudenten das Roadmovie „Mitfahrgelegenheit“. Über die Website „Filmtrip“ konnten sich Cineasten seinerzeit weltweit an der Entwicklung der Story beteiligen.

Klar, so viel Engagement neben dem Studium war auch in den vermeintlich „Goldenen Zeiten“ des „Mittweidaer Modells“ eher die Ausnahme als die Regel. Allerdings habe ich damals viel mehr Aktivitäten bei „meinen Schützlingen“ beobachtet, als das heute der Fall ist. Immer wieder führten mir Studenten seinerzeit stolz eigene Webportale, Videos und Audioproduktionen vor oder zeigten mir ihre Artikel, die sie in etablierten Printmedien platzieren konnten. Heute – so ist meine Wahrnehmung – werden unsere Medienstudenten neben den Lehrveranstaltungen durch Projekte und Events wie das Medienforum oder das Campus Festival dermaßen stark in Anspruch genommen, dass für Eigeninitiativen kaum noch Zeit – und wohl auch wenig Lust – bleibt

Die Moderatoren des Campus Festivals 2017: Tom Husse und Hannah Rolletschek | Bild: Hochschule Mittweida

So gut, engagiert und professionell Organisatoren, Moderatoren, Kameraleute, Fotografen, Beleuchter oder Ausstatter das Campus Festival auch gestalten, für die eigene Reputation der Studenten in der Medienbranche fällt dabei kaum etwas ab. Die Ausstrahlung der Veranstaltung bleibt auf den Raum Mittweida begrenzt. Von den überregionalen Medien – oder gar von der wichtigen Fachpresse – wird das aufwendige Event überhaupt nicht wahrgenommen. Das trifft inzwischen leider auch auf das Medienforum Mittweida zu; spätestens seitdem Dekan Michael Hösel auf „Granden aus der früheren Zeit“ verzichten wollte (ob Spektabilität damit beispielsweise RTL-Nachrichtenanchor Peter Kloeppel, Internet-Ikone Sascha Lobo oder Social Media-Entrepreneur Richard Gutjahr meint, ist mir nicht bekannt). Warum sollten Fachdienste wie turi2, DWDL, W&V, Kress, Horizont oder Meedia.de auch über das Medienforum in der mittelsächsischen Provinz berichten, wenn nicht einmal das fakultätseigene Portal medienMITTWEIDA dazu in der Lage ist?

Digitale Nomadin

Magda Lehnert ergriff selbst die Initiative, um im Internet positive Spuren zu hinterlassen. Die angehende Medienmanagerin, die zurzeit ihre Bachelorarbeit unter meiner Betreuung schreibt, hat schon vor Jahren den sehens- und lesenswerten Reiseblog „Wanderfolk“ gestartet. Mit ihrem digitalen Engagement will sie die Grundlage für ihr Leben nach dem Studium schaffen, wie sie selbst in ihrem Blog schreibt: „

Wenn ich groß bin, werd‘ ich Digitale Nomadin. Das heißt, ich hoffe schon ab nächstem Jahr das Geld, das ich zum Leben & Reisen brauche, flexibel und ortsunabhängig zu verdienen. Das ist zumindest der Plan. Und WANDERFOLK soll der wichtigste Teil dieser Reise sein. 

Bild aus dem Reiseblog "Wanderfolk" von Magda Lehnert

Zumindest startet Magda ihre Karriere nicht ohne Netz – dafür mit doppeltem Boden. Wenn’s mit dem Nomadendasein doch nicht klappen sollte, kann sie immer noch zurück in die heimische Medienbranche wechseln. Hier werden schließlich Nachwuchsleute mit großem Engagement, viel Know how in den Onlinemedien und großer Kreativität mehr gesucht als jemals zuvor.