Profs in kurzen Hosen

Wissenschaftliche Freiheit endet für Dozenten längst nicht bei der inhaltlichen Vermittlung ihres „Lehrstoffs“. Wie sich Professoren und Wissenschaftliche Mitarbeiter den Studierenden in Vorlesungen und Seminaren optisch präsentieren, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen. Und ihre „Schützlinge“ haben offenbar keine Probleme damit, wenn der Professor in Shorts mit Krampfadern auf blasser Haut im Hörsaal erscheint.

Den Dienstag dieser Woche werde ich so schnell nicht vergessen wegen zehn Stunden Spießrutenlauf in meiner schlecht sitzenden Shorts vorbei an Studierenden, Kollegen und Mitarbeitern. Gleich morgens hatte mich unsere Dekanats-Sekretärin Katja Fischer bei Betrachtung meiner „Beinpracht“ noch freundlich darauf hingewiesen, dass es inzwischen „Business Shorts“ gebe, die auch Hochschulprofessoren durchaus tragen könnten.

Fotoshooting im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit mit den Master-Studentinnen Lea Fürst, Verena Bock, Michaela Mittelhammer und Tanja Riegger (von links) | Foto: Benjamin Berger

Der Kollege Andreas Wrobel-Leipold wurde da schon deutlicher und fragte mich, warum ich denn unbedingt meine Krampfadern zur Schau stellen wolle. Die hatte später im Fahrstuhl eine Professorin von der Fakultät Soziale Arbeit wohl auch im Blick, als sie mich in meinen Shorts mit dem „bequemen Gummibündchen“ so hochnäsig musterte, dass sie mit ihrem Nasenrümpfen durchaus in Hamburg-Eppendorf auftreten könnte. Mit meinem Selbstbewusstsein wäre ich glatt am Ende gewesen, wenn sich nicht wenigstens vier reizende Masterstudentinnen gemeinsam mit mir in meinen kurzen Hosen im Foyer des „Schwarzen Blocks“ hätten ablichten lassen.

Schuld an dem optischen Debakel hatten eigentlich nur meine Wetter-App auf dem Smartphone und der stets grinsende Meteorologe im ARD Morgenmagazin. Beide hatten prognostiziert, dass die Temperaturen in Sachsen gegenüber dem Montag noch einmal steigen würden und es dabei auch noch schwüler werden solle. Ein Albtraum schien sich anzubahnen. Am Tag zuvor hatte ich in sechs Lehrveranstaltungsstunden bei mehr als 30 Grad in meinen langen Hosen so geschwitzt, wie – gefühlt – niemals zuvor. Die Wetterfrösche sollten mit ihren Vorhersagen nicht recht behalten. Statt „deutlich über 30 Grad“, erreichte das Thermometer am Dienstag kaum 20, was gegen Abend bei mir gleich zu einer heftigen Erkältung führte, die mir jetzt – drei Tage später beim Verfassen dieses Blogeintrags – immer noch zu schaffen macht. Selbst schuld.

Waffen und Hunde sind verboten, Shorts für Professoren dagegen nicht

Allerdings frage ich mich – spätestens seit Dienstag, ob es für Dozenten überhaupt vorgegebene Grenzen für optische Geschmacklosigkeiten in Vorlesungen gibt. Unser Pressesprecher Helmut Hammer konnte mir zwar verraten, dass an der Hochschule Mittweida „Waffen und Hunde in Lehrveranstaltungen verboten“ seien. Im Hinblick auf das Auftreten der Professorenschaft in Lehrveranstaltungen gebe es allerdings keine Vorgaben oder auch nur Empfehlungen. Das entspricht in etwa der Auskunft, die ich von Andreas Friedrich, dem Sprecher des Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst erhielt. In Dresden geht man davon aus, „dass die Lehrkräfte mit ihrem Anstand, ihrem Selbstwertgefühl und ihrem Verantwortungsbewusstsein selbst beurteilen können, wie sie vor die Studierenden treten können.“

Damit vertritt das zuständige Ministerium eine Auffassung, die nach meinen Erkenntnissen  durchaus auch von Studentinnen an unserer Fakultät geteilt wird:

Lisa Talvia, Medienmanagement (Bachelor): Solange den Professoren egal ist, was ich trage, ist mir auch egal, was die tragen. Generell denke ich nicht, dass kürzere Kleidung negative Auswirkungen auf den Lehrerfolg hat, eher im Gegenteil – je entspannter der Professor, desto glücklicher die Studenten.

Tanja Riegger, Media and Communication Studies (Master): JA zu Temperatur entsprechender Kleidung! Definitiv ist hierbei keine freizügige Kleidung zu verstehen. Bei Studentinnen und Studenten sind zu kurze Shorts auch nicht angebracht. Hierbei sollte eine deutliche Gleichberechtigung herrschen, jedoch sollte man die Aufmerksamkeit nicht auf bestimmte Körperstellen locken.

Alexandra Schaller, Medienmanagement (Bachelor): Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn Professoren kurze Hosen bei warmen Temperaturen tragen, denn Professoren sind auch nur Menschen, die schwitzen wie jeder andere. Jedoch sollte die Hose nicht ganz zu „locker und lässig“ wirken.

Fein gekleidete Studentinnen und Studenten bei der offiziellen Immatrikulationsfeier an der Bucerius Law School. Ansonsten geht's auch an der Hamburger "Kaderschmiede" für Juristen legerer zu

Professoren in kurzen Hosen sind in Sachsen wohl kein Problem – und offenbar auch nicht an Vorzeige-Hochschulen außerhalb des Freistaats. An der renommierten Bucerius Law School in Hamburg, immerhin Deutschlands führende Jura-Fakultät, gibt es „keine Kleiderordnung“ für Professoren und Wissenschaftliche Mitarbeiter, verriet mir Pressesprecher Klaus Weber am Telefon. Weil aufgrund der begrenzten Zahl an Studierenden die Atmosphäre hier ohnehin familiärer sei, würde man es einem Professor nicht verübeln, wenn er bei heißen Temperaturen seine Vorlesung in kurzen Hosen abhält. Dennoch – in der Professorenschaft gibt es im Hinblick auf die Kleidung auch an heißen Tagen offenbar kühle hanseatische Zurückhaltung. Ihm sei in drei Jahren an der Hochschule noch nie ein Professor in Shorts begegnet, verriet mir ein Student.

Lange Hosen bei 40 Grad an der Duke University

Besonders heiß kann es auch in North Carolina im Sommer werden. Dort hat Thamina Stoll (Bild, privat) an der berühmten Duke University erst im Mai dieses Jahres ihren Abschluss als Bachelor of Arts mit großem Erfolg gemacht. Während ihres Studiums hat sie „eigentlich ziemlich anständig angezogene Professoren“ erlebt. Die würden zwar nicht alle in Anzügen oder Kostümen rumlaufen – aber „Hemd und lange Hose sind eigentlich Standard“, selbst bei Temperaturen bis zu 40 Grad. Dabei würde es Thamina den Professoren „nicht übel nehmen„, wenn sie sich dem Wetter entsprechend kleiden: „Ich laufe bei solchen Temperaturen ja auch in kurzen Hosen und Sommerkleidern rum.“

Offizielle Vorgaben, Kleiderordnungen oder auch nur Empfehlungen für das Lehrpersonal gibt es indes auch an der Duke – ähnlich wie an deutschen Universitäten und Hochschulen – offenbar nicht. Das braucht es auch gar nicht, meint der geschätzte Kollege Andreas Wrobel-Leipold und beendet eine etwaig aufkommende Diskussion über Professoren in kurzen Hosen auf seine unnachahmliche Weise: „Im Anzug und mit Krawatte am Strand? Ich nicht. Umgekehrt würde ich in Strand-Outfit und Flipflops auch nicht zur Arbeit gehen – es sei denn als Bademeister.“ Dem kann ich nach meinen Erfahrungen am Dienstag nur zustimmen.