Unerwartete Normalität auf La Palma
Seit dem Vulkanausbruch auf La Palma am 19. September ist die Kanareninsel weltweit in den Schlagzeilen. Trotz der nicht enden wollenden Lavamassen im Gebiet Cumbre Vieja geht das Leben erstaunlich normal weiter. Impressionen von einem Landgang auf der Vulkaninsel Anfang November. | Titelbild: Florian Mack
Santa Cruz de La Palma sieht am Morgen bei Ankunft der Mein Schiff 3 an der langgezogenen Mole des Hafens eigentlich so aus wie immer. Im Hintergrund sind die Häuser der kleinen Hauptstadt zu sehen, in der 16.000 der gut 83.000 Inselbewohner leben. Folgt man internationalen Medien, müsste hier eigentlich »Chaos« und »Panik« herrschen. Herrscht aber nicht, weder im Hafen noch in der Stadt – wie ich eine Stunde später auf der Haupteinkaufsgasse Calle O’Daly feststellen werde.
Schon am Vormittag sind die Geschäfte in Santa Cruz mit Schau- und Kauflustigen gut gefüllt. In den Cafés hat man Mühe noch einen Platz zu bekommen, um einen Café con Leche zu trinken und dazu ein Bocadillo con Jamón Serrano zu essen. Das machen viele unserer etwa 1.500 Passagiere von der Mein Schiff 3, obwohl ein üppiges Frühstücksbuffet an Bord ohnehin im Reisepreis enthalten ist. Die Einheimischen freuen sich über solche Unterstützung in dieser schwierigen Vulkan-Zeit. Mit »Katastrophentourismus« hat das ohnehin nichts gemein.
Lavamassen und nie aufhörender Donner
Wenn da nicht an den Seiten der Straßen und Gehwege lockere Lavaasche liegen würde, könnte man im Zentrum von Santa Cruz kaum glauben, dass in einer Entfernung von nur 15 Kilometern im Gebiet Cumbre Vieja seit dem 19. September dieses Jahres ein Vulkan tobt, der nach Einschätzung von Experten auch in absehbarer Zeit nicht damit aufhören wird. Auf dem Gebiet der Gemeinden Llanos, El Paso und Tazacorte fließen die Lavamassen unkontrollierbar in Richtung Atlantik. Nach Angaben der ⇒ Inselverwaltung von La Palma wurden hier bis zum 11. November 453 Erdbeben registriert. Über 2.100 Häuser wurden durch Lava und Geröll zerstört, mindestens 7.000 Menschen verloren bislang ihr Zuhause. Soweit bekannt, hat die Naturkatastrophe zum Glück noch keine menschlichen Opfer gefordert.
Umso näher wir dem Vulkan kommen, desto lauter werden die gespenstischen Geräusche, die zu uns herüber dröhnen. Dieser fast nie aufhörende Donner sei für die Menschen das Schlimmste, erzählt uns Alejandro, ein junger Kellner im »La Cascada«, das am Rand der Gemeinde El Paso liegt. Von hier aus sind es nur noch fünf Kilometer Luftlinie bis zum Vulkan. Auch in diesem typischen spanischen Gasthaus ist von »Panik« und/oder »Chaos« nichts zu spüren. Ebenso sind die medial so häufig erwähnten »Vulkan- oder Katastrophentouristen« nirgendwo zu sehen. Wir sind an diesem Nachmittag zusammen mit zwei einheimischen Familien die einzigen Gäste im »La Cascada« und erleben auch hier überraschende Normalität.
Weiter fahren wir mit unserem Mietwagen nicht, obwohl zu unserer Überraschung die Straße weder gesperrt ist noch die Durchfahrt limitiert wird. Am späten Abend sehen wir dann von Bord der Mein Schiff 3 die glühende Lava, die an der Westküste von La Palma in Richtung Atlantik fließt. Obwohl es schon gegen 23.00 Uhr ist, sind fast alle Passagiere auf die Oberdecks gekommen und beobachten die gespenstische Szenerie in sicherer Entfernung mit respektvollem Schweigen.