Andys lockeres Zusammenkommen

Hamburgs Innensenator Andy Grote wird zurzeit von politischen Gegnern angegriffen und von vielen Bürger*innen der Hansestadt ziemlich unsanft beschimpft. Zu Recht: Der SPD-Mann hatte am 10. Juni seine erneute Ernennung in einer Bar in der HafenCity gefeiert. Während Grote seinen offensichtlichen Fehltritt als „lockere Zusammenkunft“ herunterspielen will, müssen sich Hamburger*innen und ihre Gäste bei Androhung von saftigen Bußgeldern strikt an die Corona-Regeln halten. Ironie dabei: Für die Durchsetzung der Regelungen ist ausgerechnet Innensenator Andy Grote zuständig. Dennoch: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher will Grote im Amt belassen. | Update 23.06.2020: Der Innensenator selbst hat sich inzwischen mit einer (Nonsens-) Erklärung öffentlich entschuldigt. | Update 05.08.2020: Andy Grote ist zu einer Bußgeldzahlung von 1.000 € verdonnert worden Andy ist jetzt „trauriger Corona-Held des Nordens“

In den vergangenen Monaten war ich gelegentlich ein wenig stolz auf unsere Hamburger Landespolitiker, deren Entscheidungen während der Corona-Pandemie ich meistens teilen – zumindest aber nachvollziehen konnte. Zum Beispiel als unser Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kurz vor Ostern – nach Presseberichten – seinem schleswig-holsteinischen Amtskollegen Daniel Günther die „Leviten gelesen“ haben soll, weil der zuvor seine „Holstein Cops“ auf harmlose Hamburger Ausflügler gehetzt hatte, die sich auf das Territorium des nördlichen Nachbarn nach Wedel oder sogar auf den Elbdeich an der Haseldorfer Marsch vorgewagt hatten. 

Zeitweise Sperrgebiet für Hamburger: Elbdeich an der Haseldorfer Marsch

Auch haben sich Hamburgs Politiker bislang nicht an die Straße gestellt, um Touristen persönlich zu vergraulen – so wie Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier. Mit seinem persönlichen Einsatz im Kampf gegen Corona brüstet sich der CDU-Mann bis zur Onlinestellung dieses Posts weiterhin auf der Homepage des Schweriner Innenministeriums. Wir Hamburger dagegen ließen unsere Landesgrenzen durchgehend geöffnet, sodass sich beispielsweise über Ostern Westmecklenburger an Alster und Elbe in Hamburg tummelten, während die weiten Strände an der Ostseeküste menschenleer blieben.  

Screenshot Homepage Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern

Und dann kam Andy Grote. Der SPD-Innensenator unserer Freien- und Hansestadt ist bis heute offensichtlich der Ansicht, dass Corona-Regelungen sowie die damit einher gehenden Verbote nur für das einfache Volk – aber nicht etwa für die Regierenden gelten. Als er nach langen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen endlich wieder zum Innensenator ernannt wurde, wollte das unser Andy mit politischen Freunden auch gebührend feiern. Am 10. Juni lud er dazu – nach unterschiedlichen Darstellungen – zwischen 30 und 50 politische Freunde und Weggefährten in eine Bar in der HafenCity ein.

Ob Andy dabei die Einladungsliste zu knapp gehalten hatte, einem Gast die Drinks nicht mundeten oder politische Freund*innen noch eine „Rechnung“ mit dem Innensenator offen hatten, ist mir nicht bekannt. Zumindest erhielten Hamburger Regionalmedien anonym Hinweise auf die „Party“ und schon gab’s einen politischen Skandal, der diesmal auch vielen Bürger*innen nicht gleichgültig ist, wie u.a. an heftigen Reaktionen in den Sozialen Medien nachzulesen ist. Schließlich ist es ausgerechnet Grote, der als Innensenator für die Durchsetzung der Corona-Verordnungen zuständig ist. 

Während sich am vergangenen Samstag (20. Juni) Polizist*innen in der „Schanze“ und anderswo in Hamburg abmühten, damit die Corona-Bestimmungen eingehalten wurden, mussten sie sich immer wieder Pöbeleien anhören, die nicht selten auf die „Fete des Innensenators“ abzielten. Währenddessen gab Grote selbst über den NDR eine Erklärung ab, die irgendwo zwischen Größenwahn und größtmöglicher Naivität anzusiedeln ist: „Eine Party hat nicht stattgefunden. Es gab ein lockeres Zusammentreffen, kann man vielleicht am ehesten mit einem Stehempfang vergleichen.“  Zwar räumt der Innensenator ein „im Nachhinein wäre es wahrscheinlich klüger gewesen, auf so ein Treffen ganz zu verzichten“.  Klar ist für mich indes, dass aus Grotes Erklärung eindeutig hervor geht, dass er, seine Gäste und auch die Bar gegen die in Hamburg weiterhin geltenden Regelungen verstoßen haben. Nochmal zum Mitschreiben für Andy: „Das Beisammensein im öffentlichen Raum ist nur mit Personen aus dem eigenen Haushalt und den Personen eines einzigen anderen Haushalts gestattet. Bei allen Treffen dürfen nicht mehr als 10 Menschen aus diesen Haushalten zusammenkommen. Die Kontaktbeschränkung gilt auch für die Gastronomie.“

Und nun? Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hat am Montag (22. Juni) seinen Innensenator „scharf ermahnt“. Einen Grund für Grotes Rücktritt sieht er indes nicht. Man stelle sich nun vor, wenn Andy Grote demnächst bei einer Senatspressekonferenz die Einhaltung der Corona-Bestimmungen anmahnt. Oder, ein alkoholisierter Autofahrer erklärt bei einer Polizeikontrolle: „Im Nachhinein wäre es wahrscheinlich klüger gewesen, auf den Alkohol ganz zu verzichten.“  

Update 23.06.2020: Inzwischen hat sich Innensenator Andy Grote mit folgender (Nonsens-) Erklärung öffentlich entschuldigt: „In einer Zeit, in der immer noch strikte Regeln gelten und viele auf vieles verzichten, darf nicht der Eindruck entstehen, dass gerade ich als Innensenator mich nicht an die Regeln halte. Sowas darf nicht passieren und ich kann das Unverständnis und den Ärger, den das bei vielen ausgelöst hat, sehr gut verstehen. Deshalb sage ich: Dieses Treffen hätte nicht stattfinden sollen, das war ein Fehler und dafür entschuldige ich mich ganz ausdrücklich.“

Update 05.08.2020: Hamburgs Innensenator Andy Grote ist von der eigenen Bußgeldstelle zu einer Zahlung von 1.000 € verdonnert worden. Damit wurde nach vielen Wochen sein umstrittener Stehempfang am 10. Juni anlässlich seiner Wiederernennung als “verbotene private Zusammenkunft” und somit als Verstoß gegen die seinerzeit geltende Corona-Eindämmungsverordnung sanktioniert. 
⇒ Andy ist jetzt „trauriger Corona-Held des Nordens“