Wer im Spätsommer noch einen großartigen Sonnenuntergang erleben will, sollte es mal im Himmelmoor bei Quickborn im Hamburger Umland versuchen. Am Ende eines sonnigen Tages werdet ihr euch in der Abenddämmerung wie in eine andere Welt versetzt fühlen. Bei diesem Ausflug steht die Natur im Mittelpunkt, während Mitmenschen eher selten anzutreffen sind. Noch ist das Naturrefugium ein Geheimtipp, obwohl es dort verwunschene Froschprinzen geben soll.
- Allgemeines: Renaturiertes Hochmoor am Rande der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Quickborn bei Hamburg | Zutritt immer möglich, kein Eintritt
- Größe: Mit 6 km2 größtes Hochmoor Schleswig-Holsteins; seit 2018 kein Torfabbau mehr
- Zeitaufwand: 2 – 3 Stunden (ohne Anreise) am späten Nachmittag vor – und zum Sonnenuntergang
- Sehenswürdigkeiten: Moorlandschaft mit großem See im vorderen Teil; Moorlehrpfad mit 3 Aussichtsplattformen; stillgelegte Torffabrik; Torfbahn („wegen Corona“ zurzeit nicht in Betrieb)
- Flora und Fauna: Torfmoose und Moorwälder, Wollgräser, Schnabelriede, Sonnentau, Bruchwald aus Moor-Birken ⇔ Graugans, Kanadagans, Stockente, Blässhuhn, Teichhuhn, Storch, Kranich, Moorfrosch, Kreuzotter und viele weitere
- Aktivitäten: Ausgedehnte Spaziergänge bzw. Rund-Wanderungen (zwischen 4 und 11 km), Radfahren, Natur- und Tierbeobachtungen – jedoch keine sportlichen Aktivitäten inkl. Baden etc.
- Anforderungen: Leichte Wanderung, mit sportlichem Schuhwerk machbar
- Gastronomie: im Himmelmoor keine, nächste in Quickborn
- Entfernungen: ab Hamburg Zentrum ca. 30 km; ab Quickborn Bahnhof 3,0 km
- Anreise: AKN-Bahn bis Quickborn, dann 3 km zu Fuß | Auto: Parkplatz direkt am Torfwerk
Wir kamen an diesem Augustabend aus dem Staunen nicht mehr heraus. Vor uns versank die Sonne so spektakulär am Ende des See inmitten des Himmelmoors, wie wir das bislang nur an wenigen Orten der Welt erlebt hatten. Der rot glühende Ball kämpfte sich immer wieder erfolgreich durch die davor liegenden Wolkenschwaden. Wir fühlten uns zeitweise wie auf einer Lodge vor einem Wasserloch in Ostafrika – nur, dass hier nicht Elefanten, Büffel oder Löwen an den See kamen, sondern Schwärme von Grau- und Kanadagänse mit wildem Geschnatter in den Sonnenuntergang hinein starteten, während Enten und Blässhühner weiterhin auf dem Wasser ihre Runden drehten.
Von allen Sehenswürdigkeiten in und um Hamburg herum, die wir uns in den vergangenen Monaten für die Beiträge hier im Reiseblog angeschaut haben, war der spektakuläre Sonnenuntergang über dem Himmelmoor bei Quickborn die bislang größte Überraschung. Nur etwa 30 Straßenkilometer von der Hamburger Innenstadt entfernt und wenige hundert Meter hinter dem Ortsausgang von Quickborn befindet sich ein Naturparadies, das selbst in der Hansestadt nicht sonderlich bekannt ist. Dabei eignet sich das Himmelmoor bestens für einen Halbtagsausflug – oder auch für einen spätnachmittäglichen Abstecher in die Natur.
Bis ins Jahr 2018 wurde im Himmelmoor noch Torf abgebaut. Das mag auch ein Grund dafür, sein, dass dieses stadtnahe herrliche Stück Natur bislang von Ausflüglern noch nicht „überlaufen“ wurde. Mit dem zeitweise sehr profitablen Torfabbau wurde hier schon Ende des 18. Jh. begonnen. Zunächst hatten das Bauern aus umliegenden Dörfern in kleinen Parzellen übernommen, bevor 1870 der industrielle Torfabbau mit Hilfe von Maschinen begann. Dabei gab’s auch dunkle Zeiten: Für den Torfabbau wurden zeitweise nicht nur Strafgefangene, sondern auch politische Häftlinge und Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegs herangezogen.
Bereits im Jahr 2006 stand fest, dass der Torfabbau im Himmelmoor in absehbarer Zeit enden solle. Damals wurde ein Förderverein mit heute etwa 60 ehrenamtlichen Mitgliedern gegründet, der die Renaturierung mit dem Ziel begleitet, „eine verträgliche Mischung aus Naherholung und Naturschutz zu erreichen“ – wie auf der ⇒ Website des Vereins nachzulesen ist. Im Jahr 2018 – zwei Jahre früher als ursprünglich geplant – wurde der Torfabbau schließlich eingestellt. Zu dieser Zeit war längst mit der Renaturierung von Teilen des Gebiets begonnen worden. Wichtigste Aufgabe dabei war die Wiederbefeuchtung des für den Torfabbau weitgehend trocken gelegten Moores.
Das Moor ist ein empfindliches und wichtiges Ökosystem, das vielen Tieren Nahrung bietet und für zahlreiche Vögel ein kaum ersetzbares Brutgebiet ist. Hier wachsen Pflanzen, die vielerorts kaum noch – oder gar nicht mehr zu finden sind. Um Flora und Fauna schützen und erhalten zu können, müssen Besucher*innen des Himmelmoors zumindest diese Verhaltensregeln unbedingt einhalten: 1. Auf den Wegen bleiben. 2. Kein Feuer machen und nicht Rauchen. 3. Keine Pflanzen ausreißen und mitnehmen. 4. Tiere nicht stören – und auch nicht füttern. 5. Hunde kurz anleinen. 6. Leise verhalten. 7. Eigenen Müll mitnehmen.
Mit der AKN anreisen
AKN – nie gehört? Die „Altona-Kaltenkirchen-Neumünster Eisenbahn GmbH“ ist ein regionales Nahverkehrsunternehmen, das drei Bahnlinien im Hamburger Umland betreibt. Um nach Quickborn zu kommen, nimmt man die Linie A1 von Hamburg-Eidelstedt aus. Die Station erreicht ihr vom Hamburger Zentrum mit der S-Bahn. Die Fahrt mit der AKN nach Quickborn dauert gut 20 Minuten und kostet 3,40 € pro Strecke. Allerdings gibt’s von dort aus keinen Busanschluss, um zum Himmelmoor zu gelangen. Die restlichen 3 km müsst ihr also zu Fuß zurücklegen. Ohne die Kleinstadt Quickborn (21.000 Einwohner) verunglimpfen zu wollen: Es gibt schönere Fußwege…
In der ersten – ganz wilden – Corona-Phase um Ostern 2020 herum, als in Schleswig-Holstein Hamburger Ausflügler von der Polizei verscheucht wurden, war auch die Zufahrt zum Himmelmoor vorübergehend gesperrt. Das hat sich inzwischen längst wieder geändert. Den Parkplatz am ehemaligen Torfwerk erreicht ihr von Hamburg aus je nach Verkehrslage über die A 7 (Abfahrt 21 Quickborn) oder durchgehend auf der B4. Auch wenn ihr die Autobahn nehmt, kommt ihr in Quickborn auf die B4 und biegt im Ort kurz nach der Marienkirche links ab. Über die Straßen Klingenberg und Himmelmoorchaussee erreicht ihr den Parkplatz am Torfwerk. Das Himmelmoor ist eines der wenigen Ausflugsziele, zu denen wir die Anreise mit dem eigenen Fahrzeug vorziehen, weil’s mit dem ÖPNV schon etwas umständlich ist.
Torfbahn und Lehrpfad
Wir sind mit unserem Auto bis auf den Parkplatz am stillgelegten Torfwerk gefahren. Gegenüber sahen wir auch schon eine Reihe von Loren, die zur Torfbahn gehören. Diese Feldbahn wurde Ende des 19. Jh. im Himmelmoor in Betrieb genommen, weil im Zuge der Industrialisierung des Torfabbaus immer größere Mengen transportiert werden mussten. Viele Jahrzehnte bis in die 1970er Jahre hinein führte die Torfbahn bis zum Bahnhof in Quickborn. Seit 2015 gibt es einen gemeinnützigen Verein, der Fahrten für Besucher*innen des heutigen Naturreservoirs organisiert. Wegen der Schutzmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie werden diese Fahrten vorerst jedoch nicht mehr angeboten ⇒ Torfbahn Himmelmoor. Wir mussten das Himmelmoor also zu Fuß erkunden. Dafür wurde unter Federführung der Naturfreunde Pinneberg ein 3,7 km langer Lehrpfad mit so viel Akribie und gestalterischer Kreativität angelegt, dass es einfach Spaß macht, bei einer leichten Wanderung über den federnden Moorboden auch noch etwas über Flora und Fauna dieses Gebiets zu erfahren. Hilfreich dabei sind 17 so genannte Erlebnisstationen und 23 Informationstafeln entlang des Weges. Gleich am Zugang hinter dem Parkplatz (1) befindet sich die erste ausführliche Informationstafel. Kurz darauf am See folgt ein großer Holzfrosch, der nur darauf wartet, geküsst zu werden. Inge hatte Pech – weder der Frosch noch Horst verwandelten sich an diesem Tag in einen Prinzen.
Auch ohne Prinzen folgten wir gut gelaunt – und fast allein – dem prima ausgeschilderten Rundweg, erfuhren zum Beispiel, dass dieses Moor vor etwa 10.000 Jahren entstanden ist. Die Torfschicht war ursprünglich sechs bis zehn Meter stark. Als der Torfabbau im Jahr 2018 eingestellt wurde, blieb nur noch eine Torfschicht von durchschnittlich einem Meter übrig. Als Wegweiser dienen Schilder, auf denen ein blauer Frosch abgebildet ist. Moorfrösche haben wir während unseres Besuchs zwar immer wieder laut quaken hören, selbst aber nicht zu Gesicht bekommen; in blauer Farbe schon gar nicht. Diese Blaufärbung haben nur die männlichen Frösche während der Paarungszeit im März und April für wenige Tage.
Achtung Kreuzottern!
Ein Warnschild sorgt dann doch für etwas Unbehagen bei uns: „Achtung! Kreuzotter!“ steht da in großen Buchstaben. Wir erfahren im kleiner Gedruckten, dass sich die zur Familie der Vipern gehörenden „streng geschützten“ Schlangen vor allem von Mäusen, Eidechsen und Fröschen ernähren. Ihr Gift kann aber auch für uns Menschen gefährlich – für Kinder und Kranke sogar lebensbedrohlich sein. Auch für kleinere Hunde könnte eine Begegnung mit einer Kreuzotter schlecht ausgehen. Die Vierbeiner dürfen allerdings ohnehin nur kurz angeleint mit ins Himmelmoor genommen werden. Hier steht der Naturschutz im Vordergrund und nicht etwa Freizeitaktivitäten der Besucher*innen oder ihrer vierbeinigen Begleiter.
Drei Aussichtspunkte
Gute Überblicke über weite Teile des Areals habt ihr von drei Aussichtspunkten, von denen einer oberhalb des Sees (2) und zwei weitere am westlichen Rand entlang der Gleise der Torfbahn liegen (3|4). Den Hügel am See haben wir uns für den späteren Sonnenuntergang aufgehoben. Von den beiden anderen Aussichtspunkten ist vor allem der hintere am „Kleinen Knust“ (4) beeindruckend. Von dort aus könnt ihr die nördlichen Teile des Geländes überblicken, die in Parzellen artige Wasserflächen untergliedert sind. An dem Unterstand (5), der bei plötzlich aufkommendem Schlechtwetter sehr nützlich sein kann, sind Informationstafeln über Entstehung des Moors, Torfabbau und Renaturierung angebracht.
Zurück zum Sonnenuntergang
Auf Höhe des dritten Aussichtspunkt könnt ihr über einen Nebenweg noch etwas „tiefer“ ins Moor gehen. Am Hauptweg wartet mit der Matschkuhle, durch die ein 15 m langes Balancierrohr führt (6), noch eine kleine körperliche Herausforderung. Achtet darauf, dass ihr rechtzeitig wieder den See auf Höhe des ersten Aussichtspunkts erreicht (2), um den eingangs beschriebenen Sonnenuntergang keinesfalls zu verpassen. Wenn schließlich der rote Ball erloschen ist, die Gänse sich irgendwo in der Umgebung zur Nachtruhe begeben haben, Enten nicht mehr schnattern, Blässhühner nicht mehr „trompeten“ und selbst die Frösche keinen Laut mehr von sich geben, wird es Nacht im Himmelmoor.
Das war unser Besuch im Himmelmoor, das selbst viele aus Hamburg und Umgebung noch nicht kennen. Gern könnt ihr diesen (noch) Geheimtipp an eure Freund*innen und/oder Kolleg*innen weitergeben. Nutzt dafür einfach diesen Link: horst-mueller.de/himmelmoor