Hamburg: Kaum ein Schiff wird kommen
In Deutschlands größtem Seehafen sind im Sommer 2021 Kreuzfahrtschiffe zu einer Rarität geworden. Während in Kiel und Warnemünde schon wieder Hochbetrieb herrscht, stehen in Hamburg die Terminals weitgehend leer. Die Probleme sind auch hausgemacht.
Im Kieler Hafen wird an diesem Samstag (10. Juli) Hochbetrieb herrschen. Neben den Fähren nach Oslo und Göteborg werden mit AIDAprima und MSC Seaview gleich zwei große Kreuzfahrtschiffe an den Kais der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt festmachen. Diese zwei Cruiseliner werden auch an den kommenden Samstagen in Kiel sein. Allein im Juli sollen neun verschiedene Kreuzfahrtschiffe insgesamt 26 mal den Hafen an der Förde anlaufen. Ein Sprecher der Kieler Hafengesellschaft sagte mir, dass man im gesamten Sommer bis Oktober sogar 100 Anläufe erwartet.
Kieler Hafen profitiert von Politik
Kiel profitiert als Ausgangshafen für Kreuzfahrten in diesem Jahr von seiner geografisch günstigen Lage zur Ostsee – aber auch von der umsichtigen Handhabung der Corona-Schutzmaßnahmen durch die Landesregierung. Als zu Pfingsten mit AIDAsol (22. Mai) und Mein Schiff 1 (23. Mai) schon die ersten Cruise Liner über die Förde in Richtung Ostsee fuhren, war Hamburg per Senatsbeschluss immer noch eine Corona-Trutzburg, in der erst zehn Tage zuvor nächtliche Ausgangssperren abgeschafft worden waren. An vermeintliche „touristische Freiheiten“ wie Einschiffungen auf Kreuzfahrtschiffen war zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht zu denken. Als der Senat schließlich im Juni „grünes Licht“ gab, verlegte TUI Cruises die für den 11. Juni geplante erste Abfahrt ab Hamburg kurzfristig nach Kiel. Ein Grund für die Entscheidung war, dass Hamburg für die Einschiffung weiterhin auf PCR-Tests pochte, während sich Schleswig-Holstein mit Schnelltests begnügte.
Aktualisiert auf Hinweis von ⇒ Schiffstester Matthias Morr: Dagegen ist in Hamburg bis in den Herbst hinein wohl nur mit einem großen Kreuzfahrtschiff der führenden Reedereien auf dem deutschen Markt zu rechnen. AIDAmar wird ab 31. Juli zu wöchentlichen Reisen nach IJmuiden bei Amsterdam und Rotterdam starten. Die Hansestadt muss sich in diesem Jahr ansonsten mit zwei kleineren Kreuzfahrtschiffen begnügen. Im Juli sind vier Anläufe der Hanseatic Nature von Hapag-Lloyd Crusies mit bis zu 120 Passagieren unter Corona-Bedingungen zu erwarten. Außerdem wird im Juli zweimal die MS Otto Sverdrup von den Hurtigruten im Hamburger Hafen festmachen. Coronabedingt kann sie etwa 300 Gäste aufnehmen.
Ausdruck von Hilflosigkeit
Wenig zufrieden mit diesem geringen Aufkommen an Kreuzfahrtschiffen und Passagieren ist man ganz bestimmt bei der Terminalbetriebgesellschaft Cruise Gate Hamburg, die auch für die Vergabe der Liegeplätze zuständig ist. Ende Juni verbreitete das Unternehmen unter dem Titel „Die schönsten Schiffsreisen beginnen am Tor zur Welt“ in den Sozialen Netzwerken ein Video, das man inhaltlich so zusammenfassen könnte: Wir und unsere Mitarbeiter sind da – nur kaum ein Schiff wird kommen. Letztlich ist das ⇒ hier bei YouTube nachzusehende Video nichts anderes als ein Ausdruck der Hilflosigkeit auch gegenüber den politisch Verantwortlichen, die in diesem Frühjahr in Hamburg bundesweit den härtesten Kurs im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen verfolgt haben.
Dass der harte Weg des Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) und seines rot-grünen Senats vor allem dem Tourismus in der Hansestadt schwer zu schaffen macht, ist allenthalben zu spüren und von den Betroffenen auch zu hören. Ob Hotels, Gastronomie, Veranstalter von Stadt- und Hafenrundfahrten oder Stadtführer – fast alle beklagen sich darüber, dass im Sommer 2021 zu wenig Touristen in die Hansestadt kommen und auch nicht genügend Geld hier lassen, damit die ohnehin schwer angeschlagene Branche nach vielen Monaten der Verbote und Zwangsschließungen wieder auf die Beine kommen kann. Nicht gerade förderlich für den Tourismus dürfte auch sein, dass Hamburg im Ranking der lebenswertesten Städte in diesem Jahr um 34 Plätze auf Rang 47 abrutschte. Zwar sind auch andere europäische Metropolen coronabedingt deutlich zurückgefallen, allerdings keine andere so stark wie Hamburg. Tschentscher und seine Leute haben vermutlich unterschätzt, dass ihre Corona-Trutzburg-Mentalität auch Besucher*innen fernhalten könnte. Und wohl auch Reedereien.
Probleme gab's schon vor Corona
Allerdings war der Kreuzfahrttourismus in Hamburg schon rückläufig, bevor die Pandemie die ganze Branche lahmlegte. Während die Zahl der Passagiere von 2018 auf 2019 in Hamburg von 900.000 auf 810.000 zurückging, stagnierte sie in Kiel bei 600.000. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Hansestadt sowohl bei Reedereien als auch bei ihren Gästen als schwieriger Anlaufhafen gilt. Während die Reedereien hohe Kosten für die jeweils über 100 Kilometer langen Fahrten auf der Elbe bis in die Nordsee – beispielsweise für die Elblotsen – in Kauf nehmen müssen, haben Passagiere Probleme, überhaupt das Schiff zu erreichen. Das Terminal in Steinwerder, wo der Großteil der Kreuzfahrtpassagiere in Hamburg an Bord geht, liegt inmitten des Industriehafens und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gar nicht zu erreichen. Für das Taxi aus der Stadt bis zum Liegeplatz werden schon mal 40 Euro fällig. Wenn das Schiff dann ausläuft, bekommen die Gäste den eigentlich schönen Teil des Hamburger Hafens mit Landungsbrücken, Michel und Elbphilharmonie nur noch aus der Ferne zu sehen.
Dennoch wurde Hamburg im vergangenen Jahr 2020 beim ersten Auslaufen der Mein Schiff 2 nach der Corona-Pause zum weltweiten Mittelpunkt der Kreuzfahrtbranche und zum globalen Symbol des Re-Starts. Auch in der Hansestadt selbst waren Tausende an die Elbe gekommen, als das Schiff von TUI Cruises am Abend des 25. Juli aus dem Hafen in Richtung Nordsee glitt. Doch diesen Vorsprung vor den anderen deutschen Seehäfen hat Hamburg inzwischen wieder verspielt.