Meine Mini-Kreuzfahrt auf der Kieler Förde

Bei sonnigem Wetter ist die Kieler Förde eine großartige Alternative zu den hoffnungslos überlaufenen Ostseestränden an der Lübecker Bucht. Ich habe eine Mini-Kreuzfahrt vom Kieler Hauptbahnhof nach Schilksee gemacht und bin begeistert.   

Strand in Kiel-Schilksee

An einem Montag im zweiten Corona-Sommer 2021 bin ich mit meinen früheren R.SH-Kollegen Stephan Hampe und Uwe Scheper im Kieler Stadtteil Schilksee verabredet. Die bequemste Art dorthin zu kommen wäre vermutlich, wenn ich mich in Hamburg ins Auto setzen würde. Für die Fahrt müsste ich wohl nicht mehr als eineinhalb Stunden einplanen, weil am Montagvormittag kaum mit den berüchtigten Verkehrsstaus auf der A7 nördlich von Hamburg zu rechnen wäre.

Mit Bahn und Fähre zum Ziel

Ich habe mich für die zeitlich aufwendigere Reisevariante mit Bahn und Fähre entschieden. Als mich Stephan und Uwe am Fähranleger Schilksee begrüßen, habe ich einschließlich Warte- und Übergangszeiten immerhin schon viereinhalb Stunden hinter mir. Es hat sich gelohnt. Die letzte Teilstrecke mit der Förde-Fähre vom Kieler Hauptbahnhof entlang von Werften, großen Schiffen und nahezu weißen Sandstränden war an diesem sonnigen Juli-Tag wie eine Mini-Kreuzfahrt, die ich gern wiederholen werde.

Göteborg-Fähre im Kieler Hafen

Aber der Reihe nach: Kiel ist wahrlich kein traumhaftes Reiseziel. Zumindest ist das der erste Eindruck, wenn man auf dem Hauptbahnhof in der Stadtmitte ankommt. Die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt wirkt zunächst wie eine nicht ganz so gut erhaltene Enklave aus den 1970er Jahren. Dabei sind einige Bauten in direkter Umgebung des Hauptbahnhofs deutlich jünger. So wurde der „Sophienhof“ Ende der 1980er Jahre eröffnet. Der eiskalte Charme dieser Einkaufspassage wird durch freundliche Mitarbeiter*innen in einer Edeka-Filiale und beim gegenüberliegenden Bäcker deutlich aufgewärmt.

Kieler Hauptbahnhof

Es ist die weit verbreitete Freundlichkeit, gepaart mit norddeutscher Originalität der Einheimischen, die ich schon früher in Kiel wahrgenommen – und auch bei diesem Ausflug  wiedergefunden habe. Die Frau am Fahrkartenschalter der Förde-Fährlinie am Zugang zur Hörnbrücke zum Beispiel, die mich mit „Moin, mein Jung“ begrüßt. Als ich die Tickets für die Fahrten mit der Fähre vom Bahnhofsanleger nach Schilksee und zurück für 8,60 Euro kaufe und nach einem – ohnehin nicht angebotenen – Seniorenrabatt frage, schaut sie mich schelmisch von unten aus ihrem Kassenfenster an und sagt im herrlich norddeutschen Tonfall: „Du siehst doch noch gar nicht so alt und klapprig aus.“ Dafür gibt sie mir noch den guten Rat, doch spätestens 20 Minuten vor Abfahrt  an Bord zu gehen: „Dann bekommst du auch einen ordentlichen Sitzplatz mit Aussicht für dein Geld.“

Tipps für die Mini-Kreuzfahrt auf der Kieler Förde

Anreise: Den Kieler Hauptbahnhof als Ausgangspunkt für eure Mini-Kreuzfahrt auf der Förde erreicht ihr am besten mit der Bahn. Von Hamburg aus verkehren Züge im gesamten Tagesverlauf stündlich bis in den späten Abend. Mit dem ⇒ Schleswig-Holstein-Ticket kostet die Hin- und Rückfahrt 28 Euro für 1 Reisenden. Bei mehreren Personen wird’s erheblich preiswerter. Für Autofahrer gibt’s in der näheren Umgebung des Hauptbahnhofs Parkplätze und Parkhäuser.

Förde-Fähre: Die Linie 1 startet direkt gegenüber vom Hauptbahnhof (kaum 5 Minuten Fußweg). Einen Ticketschalter gibt’s am Zugang zur Hörnbrücke (neben dem „Vapiano“). Tickets können auch an Bord ohne Aufschlag gelöst werden.Die Fahrt vom Bahnhof nach Schilksee und zurück kostet 8,60 Euro. Wer die Fahrt unterwegs unterbrechen will, benötigt ein Tagesticket für 9,90 Euro. ⇒ FahrpreiseFahrtzeiten: Bei Planung eurer Tour solltet ihr euch zuerst den Fahrplan der Förde-Fähre ansehen. Die Stationen Falckenstein, Schilksee und Strande werden nur im Sommer bis 6. September angelaufen und auch nur dreimal pro Tag (Mo-Fr) bzw. viermal pro Tag an Wochenenden durchgeführt.Die Fahrtzeit bis Laboe beträgt 1:20 Std., bis Schilksee 1:35 Std. | ⇒ Fahrplan Sommer 2021

Essen und Trinken: An Bord der Förde-Fähren bekommt ihr Getränke und kleine Snacks. Eine große Auswahl an Restaurants, Imbissen und Cafés gibt’s unterwegs in Laboe. In Schilksee solltet ihr ein Fischbrötchen am „Hafen Kiosk Goldfisch“, direkt am Fähranleger, probieren. Für das bekannte ⇒ Restaurant „El Möwenschiss“  in Schilksee (spanische und norddeutsche Küche) solltet ihr im Voraus reservieren. 

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Die "Klappt-doch-Brücke"

Die Fähre "Heikendorf" passiert die aufgeklappte Hörnbrücke

Weil ich bis zur Abfahrt der Fähre noch etwas Zeit habe, gehe ich über die Hörnbrücke auf die andere Seite des südlichen Teils der Kieler Förde in den Stadtteil Gaarden-Ost. „Das ist die Problemzone unserer Stadt“, hatte mir neulich ein echter Kieler gesagt. An diesem sonnigen Tag habe ich allerdings keine Lust, urbane Problemviertel näher zu erkunden. Ich beobachte lieber wie die Hörnbrücke einfach zusammengeklappt wird. Diese eigenwillige Konstruktion einer dreigliedrigen Faltbrücke ist die Verbindung für Fußgänger und Radfahrer zwischen Hauptbahnhof am Westufer der Förde mit dem Stadtteil Gaarden-Ost am Ostufer. Etwa zwölf mal pro Tag können Fähren, kleinere Schiffe und Sportboote in den südlichen Teil des Kieler Hafens einfahren, der „Hörn“ genannt wird. Nach der Fertigstellung 1997 soll es immer mal wieder technische Probleme gegeben haben. Deswegen wird die Konstruktion auch heute noch „Klappt-Nix-Brücke“ genannt, obwohl es inzwischen wohl ganz gut „klappt“ mit der Brücke.

Der Germania-Hafen mit dem Hauptbahnhof im Hintergrund

Ich gehe noch bis an das Ende des quer zur Förde liegenden Germania-Hafens, um ein paar hübsche Fotos mit dem Hauptbahnhof im Hintergrund zu machen. Dann wird die Hörnbrücke auch schon wieder auseinander geklappt und für die wartenden Fußgänger und Radfahrer freigegeben. Gegenüber am Bahnhofsanleger hat inzwischen die „Gaarden“ festgemacht. Die erst im August 2020 in Dienst gestellte Personenfähre wird zeitgemäß von zwei Elektromotoren betrieben. Das bis zu 300 Passagier fassende hochmoderne Schiff gehört zur Flotte der stadteigenen Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel. Bis zum Jahr 2023 sollen auch die vier älteren mit Diesel betriebenen Personenfähren durch neue Modelle ersetzt werden. Glück gehabt. Obwohl bei diesem herrlichen Wetter das Schiff 20 Minuten vor Abfahrt schon ziemlich gefüllt ist, finde ich noch einen Platz am Heck des Oberdecks.

Die Hörnbrücke wird wieder zugeklappt

Pünktlich um 14.10 Uhr legt die „Gaarden“ ab. Nahezu lautlos gleitet sie die 17 Kilometer kurze Förde in Richtung Nordost bis nach Strande, dem Seebad an der Außenförde. Obwohl man unweigerlich das Gefühl hat auf einer Flussmündung unterwegs zu sein, befinden wir uns tatsächlich auf einem Meereseinschnitt, der in der letzten Eiszeit entstand und geologisch mit den norwegischen Fjorden vergleichbar ist. In den nordischen Sprachen heißt die Förde deswegen auch „Kiel Fjord“.

Wiedersehen mit Mein Schiff 6

Wir passieren zuerst auf der linken Seite die „Stena Scandinavia“. Das 18 Jahre alte Fährschiff kann bis zu 1.300 Passagiere und 300 Pkws von Kiel in die westschwedische Metropole Göteborg befördern. Weitere große Fähren liegen an diesem Montagmittag nicht im Kieler Hafen. Es bestehen allerdings weitere regelmäßige Fährverbindungen nach Oslo, Klaipeda (Litauen), Sankt Petersburg und Kaliningrad. Nachdem unsere kleine Personenfähre mit „Seegarten“ die erste von neun Anlegestellen auf unserer Förde-Tour verlassen hat, liegt vor mir fast zum Greifen nahe „Mein Schiff 6“. Mit dem knapp 100.000 BRZ großen Kreuzfahrtschiff war ich im Frühjahr 2019 als Landeskundlicher Lektor vier Wochen lang in Mittelamerika unterwegs. Das waren noch Zeiten. Jetzt wartet der Cruise Liner am Ostseekai auf neue Passagiere für eine sogenannte „Blaue Reise“ in die Ostsee und ich fahre mit der Fähre auf der Förde – und finde es wunderbar.

Mein Schiff 6 am Ostseekai

Eine noch weiter zurückliegende Erinnerung habe ich, als das Landeshaus in Sicht kommt. Hier, am Sitz des schleswig-holsteinischen Landtags war ich am 18. September 1987 als Praktikant von Radio Schleswig-Holstein selbst dabei, als der damalige CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel sein verheerendes „Ehrenwort“ gab: „Dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind“. Bald stellte sich heraus, dass das „Ehrenwort“ haltlos war. Barschel kam drei Wochen später in einem Luxushotel im schweizerischen Genf unter mysteriösen Umständen ums Leben und ich habe noch viele Jahre später meine Aufnahme von diesem „Ehrenwort“ den Studierenden an der Hochschule Mittweida vorgespielt.

Landeshaus - Sitz des Landtags

Nord-Ostsee-Kanal in ferner Sicht

Zurück in die Gegenwart. Vom Anleger Reventlou am Landeshaus nimmt die Förde-Fähre nun Kurs auf das Ostufer, um die Haltestellen in Mönkeberg und Möltendorf anzulaufen. Schade, dadurch sind wir auf Höhe der Zufahrt zum Nord-Ostsee-Kanal zu weit von den Schleusen in Kiel-Holtenau entfernt, um eindrucksvolle Fotos machen zu können. Die hier beginnende knapp 100 Kilometer lange Verbindung bis nach Brunsbüttelkoog an der Unterelbe ist immerhin die meistbefahrenste künstliche Wasserstraße der Welt. An diesem Mittag warten allerdings nur zwei Schiffe auf die Einfahrt in eine der vier Schleusenkammern.

Fähranleger Falckenstein

Nachdem wir die „Friedrichsorter Enge“ durchfahren haben, wo die Förde nur etwa einen Kilometer breit ist, erreichen wir bald die Anlegestelle Falckenstein. Das sei die „Badewanne der Kieler“ erklärt eine offenbar ortskundige Frau am Nachbartisch ihren beiden  Mitreisenden. Zumindest macht der helle Strand vom Oberdeck der Fähre aus einen einladenden Eindruck. Bei einer Lufttemperatur von annähernd 30 Grad planschen hunderte im deutlich kühleren Wasser der Förde in unmittelbarer Nähe des Fähranlegers. Dass Falkenstein wohl eher Einheimische und weniger auswärtige Urlauber anlockt mag man auch daran erkennen, dass hier die sonst so obligatorischen Strandkörbe fehlen.

Laboe - das touristische Epizentrum

Strand in Laboe (ältere Aufnahme)

Strandkörbe und „richtige“ Touristen gibt es zu hauf auf der gegenüberliegenden Seite am Ostufer in Laboe. Die selbstständige Gemeinde, etwa zehn Kilometer vom Kieler Stadtzentrum entfernt, gilt als das touristische Epizentrum der Förde. Der helle Sandstrand reicht vom Fähranleger bis hinter das weithin sichtbare Marine-Ehrenmal. Die hübsche Urlaubsszenerie wird eigentlich nur durch einen ausgesprochen hässlichen 70er-Jahre-Bau gestört, der inmitten des Strandes platziert wurde. Es ist das Meerwasserhallenbad, das bei schlechtem Wetter allerdings durchaus gute Dienste leisten kann.

Das Olympiazentrum in Schilksee

Auch in Schilksee wird die Szenerie durch einen gigantisch großen Bau aus den 1970er Jahren dominiert. Der weithin sichtbare graue und etwa 300 m lange parallel zum Ufer verlaufende Gebäudekomplex gehört zum Olympiazentrum Schilksee. Errichtet wurde das alles hier für die Segelwettbewerbe während der Olympischen Sommerspiele 1972. Auf dem davor liegenden Fähranleger erwarten mich schon Stephan Hampe und Uwe Scheper, zwei geschätzte Ex-Kollegen von Radio Schleswig-Holstein (R.SH). Bevor wir uns in einem Café direkt vor diesem gigantischen Betonbunker zum stundenlangen Plausch über glückliche Radiotage am Ende der 1980er Jahre niederlassen, bekomme ich von den beiden Urkielern noch ein paar touristische Hinweise für diesen Blogeintrag.

R.SH-"Veteranen" Stephan Hampe, Horst Müller und Uwe Scheper am Strand von Schilksee

Strand, Matjes und "El Möwenschiss"

Der helle und hübsch neben der Betonburg gelegene Sandstrand  erinnert mich bei diesem makellosen Wetter an mediterrane Urlaubsorte. „Da braucht man wirklich nicht nach Rimini oder an die Costa del Sol zu reisen“, schwärme ich spontan meinen beiden Ex-Kollegen vor. Am „Hafen Kiosk Goldfisch“, direkt am Fähranleger, soll es die besten Fischbrötchen in ganz Schleswig-Holstein geben, verrät mir Stephan. Mein Matjesbrötchen, dass ich abends kurz vor Abfahrt der Fähre nach 15 Minuten Wartezeit wegen des großen Andrangs bekomme, ist groß, liebevoll zubereitet und schmeckt lecker. Dabei ist die Bedienung freundlich und der Umgangston nordisch originell. „Lass es dir schmecken!“ 

Leckeres Matjesbrötchen in Schilksee

Hinter dem Fischimbiss befindet sich das Restaurant „El Möwenschiss“, wo sich auf der Speisekarte spanische Tapas und norddeutscher „Matjes Hausfrauen Art“ treffen. Stephan und Uwe versichern mir, dass die Küche ausgezeichnet sein soll. Weil das Restaurant am frühen Abend voll besetzt – und meine Zeit ohnehin zu knapp ist, werde ich „El Möwenschiss“ beim nächsten Besuch an der Kieler Förde ausprobieren.

Restaurant "El Möwenschiss" in Schilksee

Und dann ist so ein herrlicher Tag, der eigentlich nicht zu Ende gehen sollte, auch schon wieder vorbei. Um 20.00 Uhr verlässt die letzte Fähre Schilksee, um mich in 90 Minuten zurück zum Kieler Hauptbahnhof zu bringen. Ich kann den zweiten Teil meiner Mini-Kreuzfahrt bei der ganz langsam untergehenden Sonne auf dem Oberdeck so richtig genießen, weil mit mir nur wenige Passagiere an Bord sind. Diesmal bin ich auf der „Laboe“ unterwegs, einem der älteren Schiffe, das in zwei Jahren ausgemustert werden soll. Ich habe mir vorgenommen bis dahin wiederzukommen – auf die Kieler Förde.

Sonnenuntergang über der Kieler Förde