Stockholm: Die schönste Großbaustelle der Welt
Stundenlange Revierfahrt durch die zauberhafte Welt des Schärengartens, gefolgt von der wohl schönsten Hafeneinfahrt Europas. Den überwältigenden Gesamteindruck können nicht einmal die Großbaustellen am Hafen und am Königlichen Schloss schmälern, die wohl noch geraume Zeit andauern werden | Direkt zu den Tipps für Stockholm
Annähernd fünf Stunden dauerte die Revierfahrt von der offenen Ostsee durch den Schärengarten, bevor Mein Schiff 1 den Liegeplatz in Stadsgården, knapp zwei Kilometer von der historischen Altstadt Gamla stan entfernt erreichte. Viele Gäste waren meinem Ratschlag aus dem Stockholm-Vortrag gefolgt und hatten schon am frühen Morgen auf den Oberdecks die Passage durch die Inselwelt des Stockholmer Schärengartens mitverfolgt. Kleinste, unbewohnte Inselchen, die die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Schäre“ (Skrere), für „Klippe“ oder auch „Felseninsel“ anschaulich machen, wechselten sich mit etwas größeren und bewohnten Eilanden ab.
Da, wo die Geschichte Stockholms im 13. Jahrhundert begann, in Gamla stan, ist heute das touristische Zentrum. Auf dem etwa 30 Minuten langen Fußweg vom Schiff dorthin muss zurzeit allerdings eine Großbaustelle passiert werden, die das gesamte Gebiet um die Slussen verunstaltet. Die Schleuse trennt den Hafen – und damit die Ostsee – vom Mälarsee. Statt romantischer Ausblicke bekommen Besucher hier zurzeit vor allem Bagger und Kräne zu Gesicht. Diese „Bildstörung“ ist allerdings verschwunden, sobald die Altstadt mit ihren engen Gassen, bunten Häusern, netten Cafés und zumeist kleinen Restaurants erreicht ist.
Kleine Staus bilden sich regelmäßig an den Zugängen zu Mårten Trotzigs Gränd, einer engen Verbindungsgasse mit 36 Steinstufen, die an ihrer schmalsten Stelle lediglich 90 Zentimeter misst. Der deutschstämmige Namensgeber Mårten Trotzighieß hieß eigentlich Traubtzich und wurde 1559 in Wittenberg geboren. Nachdem er 1581 nach Stockholm gekommen war, stieg er als Mårten Trotzig zu einem der reichsten schwedischen Kaufleute auf. Im Jahr 1617 wurde er unter mysteriösen Umständen bei einer Reise in die Stadt Kopparberg erschlagen.
Deutschland und die Deutschen spielten in Schweden schon immer wichtige Rollen, auch lange nach Trotzig noch. Sichtbar wird das unter anderem an der Tyska kyrka, der Deutschen Kirche in Gamla Stan, deren Kirchturm mit 96 Metern immer noch das höchste Gebäude der Stockholmer Altstadt ist. Nicht weit davon entfernt in der Storkyrkan, der zweiten großen Kirche in Gamla stan, heiratete 1976 Carl XVI. Gustaf die Deutsche Silvia Sommerlath, die fortan Königin von Schweden war.
Auch die Ehe von Kronprinzessin Victoria mit dem früheren Fitnesstrainer Daniel Westling wurde im Juni 2010 in der St. Nicolai-Kirche – wie die Storkyrkan offiziell heißt – evangelisch-lutherisch besiegelt. Gleich nebenan im Stockholmer Schloss hat Carl XVI. Gustaf noch Büroräumlichkeiten. Ansonsten dient der wuchtige Bau vor allem repräsentativen Zwecken und dem Tourismus. Teile des Schlosses können besichtigt werden. Anziehungspunkt ist vor allem die feierliche Wachablösung, die mittags um 12.15 Uhr (Sonntag 13.15 Uhr) beginnt und mit den Musikdarbietungen der Militärkapelle bis zu 40 Minuten dauert. Hier in Stockholm ist die Wachablösung nicht so spektakulär wie vor dem Buckingham Palast in London. Dafür ist die Distanz zwischen Zuschauern und Akteuren deutlich geringer. Störend war bei unserem Besuch lediglich eine weitere Großbaustelle: Wegen umfassender Renovierungsarbeiten waren Teile der Schlossfassade verkleidet.
Ein Stück weiter vorbei am Riksdagshuset, dem Sitz des schwedischen Parlaments, auf der kleinen Insel Helgeandsholmen, ist bald das Stadshus – das Stockholmer Rathaus erreicht. In dem 1923 fertiggestellten markanten Gebäude sind heute das Stadtparlament und die Verwaltung der Stadtreinigung untergebracht. Zudem findet hier alljährlich im Dezember das Bankett zu Ehren der jeweils neuen Nobelpreisträger statt. In dem Gebäude gibt es eine Reihe an Kunstwerken wie Mosaike, Wandteppiche, Gemälde und Statuen – aus unterschiedlichen Epochen und Stilrichtungen. Man kann auch auf den 106 Meter hohen Turm klettern und hat dann eine wunderbare Aussicht über weite Teile von Stockholm, zum Beispiel bis auf die Museums-, Freizeit- und Vergnügungsinsel Djurgården.
Djurgården ist von der Altstadt am besten mit der Fähre zu erreichen, die am Slussen vor der Altstadt ablegt und 45 Kronen pro Strecke kostet. Auf der Fahrt hat man wunderbare Aussichten auf die Altstadt, den Stadthafen und einige Attraktionen auf der Freizeitinsel. Zuerst rücken die schwindelerregend hohen Fahrgeschäfte des Vergnügungsparks Größer Lund ins Blickfeld. Ein Stück weiter ist dann das Vasa-Museum zu erkennen, wo das am 10. August 1628 auf der Probefahrt nach nur 1.300 Metern gesunkene schwedische Kriegsschiff komplett restauriert zu bewundern ist.
Ebenfalls auf Djurgården wurde mit dem ABBA-Museum ein Kulttempel mit zahlreichen Ausstellungsstücken rund um Schwedens erfolgreichste Popgruppe eingerichtet. Man muss nicht ausgewiesener Fan des Quartetts von Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad sein, um beim Betrachten von Kostümen, Goldenen Schallplatten, Fanpost, Ton- und Filmaufnahmen sowie zahlreichen Requisiten eine Gänsehaut zu bekommen.
Verdrängt wurden die Erinnerungen an ABBA am Ende des Tages dann doch von den spektakulären Naturschauspielen, die sich uns an den Oberdecks bieten, als Mein Schiff 1 langsam und fast lautlos durch den Stockholmer Schärengarten hinaus in die Ostsee gleitet.
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Stand der Informationen: 15. Juli 2018. Alle nachfolgenden Angaben wurden vor Veröffentlichung sorgfältig geprüft. Eine Gewähr für die Richtigkeit bzw. Aktualität (z.B. von Öffnungszeiten und/oder Eintrittspreisen) kann nicht übernommen werden. Falls Sie falsche bzw. unvollständige Informationen entdecken, schicken Sie mir bitte eine an@horst-mueller.de
(1) Stadsgården: Stadtnahe Anlegestelle für größere Kreuzfahrtschiffe | Touristeninformation vor Ort | Entfernung bis zur Altstadt Gamla stan 2 km (Fußweg) | Linienbusse und Taxen stehen ca. 300 Meter vom Schiff zur Verfügung | Auf dem Fußweg nach Gamla stan wird der Aufzug Katarinahissen passiert. Der Aufzug ist zurzeit außer Betrieb, der Zugang über Treppen dahinter am Katarinavägen möglich. Von oben hat man ein der besten Aussichten auf Stockholm | Falls das Schiff am Terminal in Frihamnen festmacht, beträgt die Entfernung bis nach Gamla stan ca. 5 km. Transport mit kostenpflichtigem Shuttle Service des Schiffes oder Linienbus.
(2) Gamla stan: Historische Altstadt von Stockholm mit engen Gassen, bunten Häusern, Kunsthandwerkgeschäfte, Restaurants und Cafés | Sehenswert: Tyska Kyrkan (Deutsche Kirche), Storkyrkan (Große Kirche) und Mårten Trotzigs Gränd (engste Gasse) | weitere Infos
(3) Königliches Schloss (auch: Stockholmer Schloss): Repräsentativer Palast – nicht mehr Wohnsitz des schwedischen Königshauses | Besichtigung von Teilen des Schlosses möglich, kostenpflichtig | Wachablösung 12.15 Uhr, am Sonntag 13.15 Uhr | weitere Infos
(4) Rathaus (Stadshuset): Markantes Gebäude, Sitz des Stadtparlaments von Stockholm | Bankett für die Nobelpreisträger im Dezember | Ausstellung von Kunstwerken | Rathausturm mit Aussichtsplattform (73 Meter), Besichtigungen kostenpflichtig | weitere Infos
(5) Slussen Kajen: Flaniermeile vor der Altstadt Gamla stan zwischen dem Denkmal Gustav III. vor dem Schloss und Slussen, der Schleuse, die den Mälarsee vom Hafen (Ostsee) trennt | Gute Ausblicke, Restaurants, Imbisse und Cafés. Abfahrt der Fähren nach Djurgården, Fahrpreis 45 SEK.
(6) Vasa-Museum: DAS Museum in Stockholm auf der Insel Djurgården. Hier wurde das 1628 gesunkene schwedische Kriegsschiff Vasa komplett restauriert in den Museumsbau eingebunden | Eintritt: 130 SEK | weitere Infos
(7) ABBA-Museum: Kulttempel mit zahlreichen Ausstellungsstücken rund um Schwedens erfolgreichste Popgruppe | Eintritt: 250 SEK | weitere Infos
Weitere Informationen zu Stockholm und Tipps für den Aufenthalt: Visit Stockholm – Offizielles Tourismusportal Stockholms in deutscher Sprache
Weitere Infos zu Stockholm
Historie und Status: Stockholm liegt auf 14 Inseln an der Nahtstelle zwischen dem Mälarsee und der Ostsee. Mitte des 13. Jahrhunderts ließ hier Staatsmann Birger Jarl eine Festung bauen, um den Mälarsee vor Piraten zu schützen. Um das Schloss herum entstand die damals neue Stadt Stockholm; „stock“ für Stock, Baumstamm oder Pfahl; „holm“ = bedeutet kleine Insel. Gamla stan, die heutige Altstadt, trennt das Meer und den See voneinander. Bedeutend wurde Stockholm durch ihren Handelshafen für die Hanse, die den Überseehandel vom 13. bis ins späte 17. Jahrhundert kontrollierte. Im Jahr 1634 wurde Stockholm offiziell die Hauptstadt des schwedischen Reiches, hatte im 18. Jahrhundert schon 75.000 Einwohner. Heute leben in Stockholm circa 935.000 Menschen, in der Metropolregion sind es gar 2,1 Millionen und damit mehr als ein Fünftel aller 10 Millionen Einwohner Schwedens. Die Region um Stockholm ist damit das größte Stadtgebiet Skandinaviens.
Zahlungsmittel und Preise: Offizielles Zahlungsmittel ist die Schwedische Krone (SEK); Umrechnungskurs: 1 Euro = 10,4 SEK. In der Praxis wird jedoch (fast) alles bargeldlos per Girocard (Electronic Cash) oder Kreditkarte bezahlt. Sie sollten „Plastikgeld“ unbedingt dabei haben, weil mancherorts gar kein Bargeld akzeptiert wird. Schweden gehört zu den teuersten Ländern Europas mit einem EU-Preisindex von 124 (Deutschland: 103,6). Für übliche touristische Leistungen wie Eintrittsgebühren, Restaurant- und Cafébesuche, Taxifahrten oder einfache Souvenirs sind um 20 bis 30 Prozent höhere Preise zu entrichten, als in einer deutschen Großstadt.
Verkehr und Sicherheit: Stockholm hat ein gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem, das aus sieben U-Bahn Linien (Tunnelbanan), Bussen, einigen Straßenbahnlinien (Tram) und Fährlinien im Hafen besteht. Eine Einzelfahrt (Single Ticket) kostet 44 SEK, ein 24-Stunden lang gültiges Tagesticket, mit dem auch die Fähre nach Djurgården benutzt werden kann, 125 SEK. Tickets können an Automaten, Ticketschaltern (an größeren U-Bahn-Stationen) und per App erworben werden. Die Bezahlung in den Verkehrsmitteln ist nicht möglich – weitere Infos | Stockholm ist eine sichere Stadt. Vorsicht ist dennoch vor allem an belebten touristischen Orten (z.B. bei der Wachablösung im Schlosshof) vor Taschendieben geboten.