Unser „Netz“ ist frei von „Schmuddelkram“

Die ARD/ZDF-Onlinestudie liefert ziemlich aktuelle Daten zur Internetnutzung in Deutschland, auch wenn nicht alle dargestellten Ergebnisse schlüssig sind. Die gute Nachricht dabei ist: Das „Netz“ ist „sauber“, zumindest aus öffentlich-rechtlicher Sicht. „Schmuddelkram“ wie Sex, Erotik oder gar Porno wird in der Studie einfach ignoriert.

Heute ist Freitag, der Dreizehnte. Da könnte so manches Unvorhergesehene passieren. Zum Beispiel, dass deutsche Internetnutzer auf einer Website voller Erotik, Sex oder gar – man mag es kaum niederschreiben – Porno landen. Solche schmuddeligen Dinge gibt es im Netz eigentlich gar nicht; zumindest erhält man diesen Eindruck bei Durchsicht der ARD/ZDF-Onlinestudie, die in dieser Woche bereits zum 20. Mal veröffentlicht wurde.

Bereits vor vier Jahren hatten sich Studierende der Fakultät Medien an der Hochschule Mittweida über das fehlende „Rotlicht“ in Deutschlands führender Onlinestudie gewundert und dazu für medienMITTWEIDA ein Video gedreht. Moderator Clemens Sebastian Arnold passte damals sein Outfit eigens dem Ernst des Themas an und trat nur von einem – allerdings ziemlich großen – Mikrofon-Puschel bedeckt vor die Kamera

Hinweis: Informationen über die Nutzer werden von YouTube erst nach Aufruf des nachfolgenden Videos gespeichert. 

Mal von dem „reizvollen“ Thema an sich abgesehen, ist es schon bedenklich, dass in einer Studie mit wissenschaftlichem Anspruch vermeintlich unliebsame Dinge einfach ausgeblendet werden. Schließlich spielen – ich nenne sie mal – „Rotlichtseiten“ im Internet eine durchaus bedeutende Rolle. Immerhin – nach dem aktuell für diesen Beitrag aufgerufenem Ranking der meistgenutzten Websites in Deutschland beim Onlinedienst Alexa liegt das Erotik-Portal „LiveJasmin“ deutlich vor den ersten journalistisch basierten Medienangeboten wie Spiegel Online und Bild.de.

Status und Bedeutung von erotischen Angeboten im Netz sind seit Veröffentlichung des Beitrags der Mittweidaer Medienstudenten wohl gleichgeblieben, ansonsten hat sich seit Juli 2013 so einiges verändert: Social Media-Plattformen haben eine noch höhere Bedeutung erlangt, wobei Facebook seit dem vergangenen Jahr allerdings stagniert und längst von WhatsApp abgelöst wurde. Onlineshops wie Amazon und eBay versammeln noch mehr Nutzer immer häufiger in ihren virtuellen Kaufhäusern. Insgesamt ist die Internetnutzung in den vergangenen vier Jahren noch intensiver vor allem mobiler geworden, insbesondere bei den jungen Nutzern. Zwei Drittel der 14-29jährigen gehen inzwischen vorzugsweise – oder ausschließlich – mit dem Smartphone „ins Netz“ – und nicht mehr mit dem „guten alten“ Desktop-Computer oder mit dem Laptop.

Nicht alle Eckdaten sind schlüssig

Nachfolgend habe ich die aus meiner Sicht wichtigsten Eckdaten aus den ARD/ZDF-Onlinestudien2017 und 2016 gegenübergestellt:

Kriterien20172016Differenz
Reichweite gesamt90%84%6 PP
Reichweite tägl.72%65%7 PP
Nutzungsdauer tägl.149 Min.121 Min.28 Min.
Bewegtbild wö.53%56%-3 PP
Audio wö.46%33%13 PP
WhatsApp wö.64%58%6 PP
Facebook wö.33%34%-1 PP

Nicht alle dargestellten Entwicklungen scheinen schlüssig zu sein. Die in der Studie ausgewiesenen sehr hohen Steigerungsraten innhalb eines Jahres bei der Reichweite und Nutzungsdauer sind den Autoren zufolge auch einer Veränderung der Untersuchungsmethode geschuldet.

Der überraschende Rückgang von drei Prozentpunkten bei der Bewegtbildnutzung wird durch „leichte Verluste bzw. auf Stagnation auf Videoportalen, in Communitys wie Facebook und sendereigenen Mediatheken“ begründet. Mag sein.

Logisch und gut nachvollziehbar ist dagegen die dargestellte deutliche Steigerung der Audionutzung im Internet um 13 PP innerhalb eines Jahres, die vor allem auf Streamingdienste wie Spotify und Co. zurückzuführen ist (+9 PP). Dagegen können über das Netz verbreitete Radioprogramme mit zwei Prozentpunkten nur mäßig zulegen, obwohl fast alle Sender in den letzten Jahren Spezialangebote im Internet verbreiten: Von „Wiesnhits“ bei Antenne Bayern über die „MDR Schlagerwelt“ bis „NDR Blue“ im Norden. Audio Podcasts bleiben mit einem wöchentlichen Nutzeranteil von vier Prozent vor allem „Nischenangebote“.

Internet ≠ Onlinemedien

Seit Jahren versuche ich meinen Studierenden – und gelegentlich auch „Medienleuten“ –  klarzumachen, dass Internet nicht mit Onlinemedien gleichzusetzen ist. Schließlich wird ja eine Druckmaschine auch nicht als „Zeitung“ und ein UKW-Sendeturm auch nicht als „Radioprogramm“ bezeichnet. Das Internet ist lediglich die technische Plattform auf der unterschiedliche Inhalte und Angebote zu finden sind. In der ARD/ZDF-Onlinestudie wird zumindest der Versuch unternommen, die Onlinenutzung zu differenzieren:

Die Mediennutzung im Internet liegt über alle Altersgruppen bei nur 45 von insgesamt 149 Minuten, als bei 30 Prozent. Es fällt weiterhin auf, dass der Anteil der Mediennutzung mit zunehmendem Alter weiter zurückgeht. Mit anderen Worten: Oma und Opa empfangen Fernsehen und Radio vor allem „konventionell“ und schauen auch häufiger in Zeitungen und Zeitschriften, als es die jüngeren Zielgruppen tun. Die jungen Nutzer „ziehen“ sich dagegen Medienangebote über ihre Smartphones „rein“.

Hinweis: Aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, dass die Summe der einzelnen Nutzungsarten nicht der ausgewiesenen Gesamtnutzung entspricht. Ich habe deswegen bei Birgit van Eimeren aus der Hauptabteilung Strategie und Innovationsmanagement im Bayerischen Rundfunk nachgefragt und erhielt folgende schriftliche Erläuterung:

„Die Daten stimmen. Man muss nur wissen, dass man sie nicht einfach addieren kann, weil hier ein sogenannter Nettowert gebildet wird. Bspw. kann jemand in einem Viertelstunden-Intervall sowohl surfen als auch den Livestream eines Radiosenders hören. Beide Nutzungsdauern werden dem jeweiligen Segment (sonstige, resp. mediale Internetnutzung) mit 15 Minuten zugeordnet. Wenn es aber um die Internet-Nutzungsdauer insgesamt geht, wäre es nicht richtig, die beiden Tätigkeiten doppelt zu zählen. Jede Viertelstunde kann nur einfach in die Berechnung eingehen und das ist genau die Nettowert-Berechnung. Dieser Umstand sollte in Zukunft in den Tabellen noch genauer beschrieben, insofern danken wir für Ihre Nachfrage.“

Zur „medialen Nutzung“ werden in der Studie Bewegtbild und Audio inklusive Streamingdienste wie „Spotify“ gerechnet. Erschreckend gering ist der Anteil von täglich nur durchschnittlich 6 Minuten, die für „Artikel/Berichte digital im Internet gelesen“ – demnach auch für Spiegel Online, Bild.de und andere Newsportale ermittelt wurden.

Zur „Individual-Kommunikation“ – mit einem Anteil von knapp 40 Prozent (59 Minuten) zählen „Chatten, E-Mail, Messenger und WhatsApp“. Den größten Anteil mit 71 Minuten und damit knapp 48 Prozent hat die „Sonstige Internetnutzung“, die von den Autoren mit Onlineshopping, Onlinespielen, Internetsuche und „Surfen“ erklärt wird. Möglicherweise fallen darunter ja auch die „Rotlichtseiten“. Das allerdings wurde auch in der ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 nicht verraten.