Nette Schummeleien im Radio
Die britische Medienaufsichtsbehörde „Ofcom“ hat erneut zugeschlagen. Diesmal muss die BBC umgerechnet rund 105.000 Euro Strafe zahlen, weil Telefongewinnspiele vorher aufgezeichnet wurden. Deutsche Medienwächter hätte das wohl kaum gestört.
Dieser Beitrag entstand nach einem Hinweises bei turi2. | Wenn deutsche Radiomacher ihre Zuhörer beschummeln, hören Medienwächter in der Regel gar nicht erst zu – oder lieber weg. In Großbritannien können dagegen schon kleine Schummeleien zu saftigen Strafen führen. Die britische Medienaufsichtsbehörde „Ofcom“ belegte jetzt die öffentlich-rechtliche BBC mit einer Geldstrafe von insgesamt 95.000 Pfund (rund 105.000) Euro), weil in mehreren Radiosendungen vorher aufgezeichnete Telefongewinnspiele als „live“ verkauft wurden.
Verwickelt in die Schummeleien ist mit Tony Blackburn einer der bekanntesten britischen Radio-Discjockeys. Zwischen Dezember 2005 und Dezember 2006 hatte der öffentlich-rechtliche Regionalsender „BBC London 94.9FM“ fünf Radioshows des vielbeschäftigten Radio- und Fernsehmoderators vorher aufgezeichnet und zeitversetzt ausgestrahlt. Pech für die Hörer – auch die als „live“ angekündigten Telefongewinnspiele waren längst? vorproduziert. Wer während der Sendung zum Londoner Ortstarif beim Sender anrief, hatte überhaupt keine Chance am Spiel teilzunehmen und die ausgelobte „Goody bag“ mit DVDs und CDs zu gewinnen. ähnlich erging es Hörern, die bei Dermot O’Learys Show auf „BBC Radio 2“ Konzerttickets ergattern wollten. Nach Erkenntnissen der britischen Medienwächter hatte der auf der Insel populäre Radio- und Fernsehmann zwischen Juni und Dezember 2006 acht aufgezeichnete Sendungen als „live“ verkauft, einschließlich der vorproduzierten Telefongewinnaktionen.
In beiden Fällen erkannte die Medienaufsichtsbehörde schwere Verstöße gegen die gebotene Fairness bei Gewinnaktionen und der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information der Hörer. Neben den Geldstrafen von 25.000 Pfund für Blackburns Schummeleien und 70.000 Pfund wegen der Verstöße in O’Learys Sendungen, müssen in beiden BBC-Programmen die Sanktionen bekannt gemacht werden. Tag, Zeit und Form der Ausstrahlung werden von der Aufsichtsbehörde verbindlich vorgegeben.
Interessen der Verbraucher an vorderster Stelle
Das „Office of Communications“ (Ofcom) hat mit den am Donnerstag veröffentlichten Entscheidungen längst nicht zum ersten Mal britische Rundfunksender abgestraft. Dabei macht die Aufsichtsbehörde offenbar keinen Unterschied zwischen der öffentlich-rechtlich organisierten BBC und privaten Anbietern. Erst im Juni dieses Jahres musste die – inzwischen an Global Radio verkaufte – private Radiokette „GCap Media“ wegen Betrügereien bei Gewinnspielen eine Gesamtstrafe von 1,1 Millionen Pfund bezahlen. Die BBC wurde wegen Verstößen in ihren Fernsehprogrammen in den vergangenen 18 Monaten mit Geldstrafen in Höhe von insgesamt über 500.000 Pfund belegt.
Im Unterschied zu Deutschland, wo 14 Landesmedienanstalten den privaten Rundfunk sowie Rundfunkräte die öffentlich-rechtlichen Programme kontrollieren sollen, ist „Ofcom“ in Großbritannien für beide Systeme zuständig. Vor fünf Jahren übernahm die aus Rundfunkgebühren und Zuschüssen des Handelministeriums finanzierte Organisation die Aufsicht über alle elektronischen Medien auf der „Insel“. In ihren Statuten stehen die „Interessen der Verbraucher“ an vorderster Stelle.
Für deutsche Medienaufseher, ob privat oder öffentlich-rechtlich, spielen die Interessen – und der Schutz – der Mediennutzer offenbar kaum eine Rolle, zumindest ist dazu nichts in den Rundfunkgesetzen oder in den Statuten der Aufsichtsbehörden und Gremien zu finden. In der Praxis werden Programmverstöße nur selten geahndet. Schlimmer noch – Tricksereien bei Gewinnspielen sollen nach dem Entwurf einer neuen Satzung sogar legalisiert werden: Anrufe auf kostenpflichtigen Hotlines, die bei automatischen Anrufbeantwortern landen, werden? künftig schon als Gewinnspielteilnahme anerkannt. Auf diese Weise sollen nach Inkrafttreten der Gewinnspielsatzung – voraussichtlich im Frühjahr 2009 – auch schon 14jährige ganz legal abgezockt werden dürfen. Dagegen wirken die jetzt in Großbritannien bestraften Verstöße schon fast wie „nette Schummeleien“.