Tallinn: Gute Aussichten in Estland
Die estnische Hauptstadt gilt als eines der Hightech-Zentren in Europa und hat sich dennoch viel von ihrer Liebenswürdigkeit erhalten. Leider haben das inzwischen zu viele Reedereien mitbekommen, so dass es im Sommer auf den Aussichtstürmen schon mal eng werden kann. | Direkt zu den Tipps für Tallinn
Vier Türme – das hatte ich meinen Zuhörern beim Vortrag über Tallinn am Abend vor der Ankunft versprochen – würde ich am nächsten Tag „besteigen“, weil die Aussichten aus verschiedenen Perspektiven auf die estnische Hauptstadt einfach so „umwerfend“ seien. Am Ende sind es dann doch nur zwei Turmbesteigungen bei unserem eintägigen Aufenthalt am Montag geworden. Die Gründe für die Nichteinhaltung meiner Ankündigungen sind möglicherweise einleuchtend:
Vor dem Aufgang zur begehbaren Stadtmauer drängelten sich am Donnerstagvormittag dermaßen viele Aussichtshungrige, dass ich kurzerhand wieder abdrehte und stattdessen durch malerische Gassen weiter auf den 50 Meter hohen Domberg bummelte, um auf den „Langen Hermann“ zu klettern, einen ehemaligen Wachturm in der Schlossmauer. Oben auf dem Turm wird seit Beginn der Unabhängigkeitsbestrebungen Estlands von der Sowjetunion im Jahr 1989 jeden Tag bei Sonnenaufgang die Schwarz-Blau-Weiße Nationalflagge aufgezogen und nach Sonnenuntergang wieder eingeholt. Besucher dürfen „Hermann“ zurzeit allerdings nur bei besonderen Anlässen besteigen. Ich war für die Wachsoldaten nicht „Anlass“ genug, damit sie den Weg für meinen „Aufstieg“ freimachten. Also blieben – nur noch zwei „Turmbesteigungen“ übrig.
Bevor ich auf den zweithöchsten Aussichtspunkt in der Tallinner Altstadt kletterte, machte ich noch obligatorische Fotos vom rosafarbenen Schloss, dem heutigen Sitz des estnischen Parlaments, sowie von der gegenüberliegenden Alexander-Newski-Kathedrale. Dieses wohl markanteste Bauwerk auf dem Schlossberg wurde im Stile einer russisch-orthodoxen Kathedrale auf Veranlassung des damaligen Gouverneurs des Russischen Kaiserreiches zwischen 1894 und 1900 errichtet. Nach der estnischen Unabhängigkeit gab es zeitweise ernsthafte Pläne, das vermeintlich russische Symbol im Herzen Tallinns wieder abreißen zu lassen. Schließlich siegten jedoch städtebauliche und touristische Argumente über negative Emotionen, die noch aus der Zeit der sowjetischen „Okkupation“ herrühren – wie die Esten die Jahre zwischen 1945 und 1990 noch heute bezeichnen.
Schnell hatte ich anschließend den oberhalb des Schlosses in der Altstadt gelegenen Tallinner Dom erreicht. Mit der Turmhöhe von 69 Metern auf dem etwa 50 Meter hoch gelegenen Schlossberg blickt man von hier, aus annähernd 120 Metern, auf die Unterstadt und hinüber auf den Hafen am Ausgang des Finnischen Meerbusens.
Im Inneren des Tallinner Doms, eigentlich „Tallinner Bischöfische Domkirche“, befinden sich zahlreiche Grabplatten von Persönlichkeiten aus dem 13. bis 18. Jahrhundert sowie steinerne Sarkophage aus dem 17. bis 20. Jahrhundert; unter anderem auch des Admirals Adam Johan von Krusenstern, der die erste russische Expedition um die Welt geleitet hat. Bekannt ist sein Name auch deswegen, weil ein russischer Viermast-Segler, der häufig auf Hafenfesten in ganz Mitteleuropa zu Gast ist, nach dem Admiral benannt wurde. Solche – und viele weiteren Informationen können in Tallinn an allen Orten mühelos mit dem Smartphone abgerufen werden. Die Internetversorgung in der estnischen Hauptstadt gilt europaweit als vorbildlich. „Passen Sie auf, das Ihr Smartphone nicht explodiert – so schnell ist hier das Netz“, hatte ich den Gästen in meinem Vortrag augenzwinkernd geraten.
Tallinn musste sich am Donnerstag nicht hinter Venedig verstecken. Zwar wird die Altstadt nicht von Kanälen durchzogen, dafür im Hochsommer von fast ähnlich vielen Touristen. Während unseres Besuchs der estnischen Hauptstadt hatten neben Mein Schiff 1 am Haupthafen, der etwa einen Kilometer von dem „Strandtor“ als Zugang zur Altstadt entfernt liegt, drei weitere große Cruiseliner festgemacht. Etwas abseits lag sogar noch ein fünftes, etwas kleineres Kreuzfahrtschiff. Dazu kommen mehrere Fähren, die im Sommer vor allem finnische Tagestouristen und Kurzurlauber aus Helsinki nach Tallinn bringen.
Entsprechend voll war’s dann auch am Rathausplatz, dem Zentrum in der Unterstadt von Tallinn, das von dem eigenwillig wuchtigen Rathaus aus dem 14. Jahrhundert geprägt ist. An einer Ecke des großen Platzes befindet sich die weltweit älteste Apotheke. Die schon 1422 erstmals eröffnete Ratsapotheke war einst so berühmt, dass angeblich sogar russische Zaren aus dem fernen St. Petersburg hier Medikamente orderten. In dem historisch nachgebildeten Verkaufsraum bekam ich problemlos Hühneraugenpflaster, die mir den weiteren Bummel über das grobe Kopfsteinpflaster in der Talllinner Altstadt spürbar erleichterten.
Nebenan wird in einem Ausstellungsraum Apothekenzubehör aus früheren Jahrhunderten gezeigt. Über den Apothekenräumen hat sich eines der außergewöhnlichsten Restaurants im Baltikum niedergelassen: Im Balthasar – benannt nach einem früheren Bewohners des Hauses– gibt es alle Gerichte nur mit Knoblauch: vom Amuse-Gueule, dem Gruß aus der Küche, bis zum Dessert. Dazu speist man im Ambiente dieses geschichtsträchtigen Gebäudes, was einigen unserer Gäste, die das Lokal auf meinen Hinweis hin ausprobiert haben, großartig gefiel.
Nach der Mittagszeit wurde es in Tallinn spürbar ruhiger. Das liege daran, dass die überwiegend italienischen Gäste von den beiden Kreuzfahrtschiffen MSC Orchestra und Costa Magica nach dem Mittagessen an Bord nicht ein zweites Mal in die Altstadt kämen, erklärte mir ein örtlicher Reiseleiter, den ich vor der Olaikirche traf Benannt ist das Kirchenbauwerk aus dem 13. Jahrhundert nach dem norwegischen König Olav II. Haraldsson, der als ein Beschützer der Seefahrer gilt. Der Kirchturm soll früher einmal stolze139 Meter hoch – aber unzureichend gesichert gewesen sein, was mindestens zu acht Blitzeinschlägen und drei Bränden führte. Heute ist der Turm der Olaikirche mit einer Höhe von 124 Metern der höchste Aussichtspunkt in der gesamten Tallinner Altstadt, obwohl die Kirche in der Unterstadt liegt. Wer von dort oben die herrliche Aussicht über ganz Tallinn genießen will, muss drei Euro Eintritt zahlen und in dem sehr engen Aufgang 232 steinerne und zum Teil seh schmale Treppenstufen überwinden.
Der Rückweg zum Hafen führt durch das historische Strandtor, das direkt mit der „Dicken Margarethe“ verbunden ist. In dem aus dem 16. Jahrhundert stammenden mächtigen ehemaligen Geschützturm ist heute das Estnische Meeresmuseum untergebracht. Obendrauf befindet sich das einzige Dachcafé der estnischen Hauptstadt.
Als wir mit Mein Schiff 1 am frühen Abend den Hafen von Tallinn verließen, ärgerten sich einige Gäste, dass sie nicht schon am Morgen bei der Ankunft von Deck aus Bilder von der Altstadt mit dem Schlossberg gemacht hatten. Jetzt, bei der tief stehenden Sonne, war nur noch die Silhouette der liebenswürdigen Hightech-Metropole im Baltikum zu erkennen
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Stand der Informationen: 15. Juli 2018. Alle nachfolgenden Angaben wurden vor Veröffentlichung sorgfältig geprüft. Eine Gewähr für die Richtigkeit bzw. Aktualität (z.B. von Öffnungszeiten und/oder Eintrittspreisen) kann nicht übernommen werden. Falls Sie falsche bzw. unvollständige Informationen entdecken, schicken Sie mir bitte eine an@horst-mueller.de
(1) Cruise Port Tallinn: Der Hafen hat vier Liegeplätze für Cruiseliner über 100.000 BRZ. Davor sind Souvenirshops, örtliche Reiseagenturen, Taxen und Doppeldeckerbusse für „Hop-on, hop-off“-Touren zu finden. Bis zum „Eingang“ zur Altstadt an der „Dicken Margarethe“ es 1,5 Kilometer Fußweg, der zunächst durch den sauberen Hafen und dann entlang von belebten Straßen führt.
(2) Dicke Margarethe und Großes Strandtor: Durch das Tor gelangt man vom Hafen kommend in die nahezu durchgehend sehenswerte historische Altstadt von Tallinn. Direkt daneben befindet sich der frühere Geschützturm aus dem frühen 16. Jh., der angeblich nach der dicken Köchin Margarethe benannt wurde, die hier Soldaten versorgt haben soll. Heute befindet sich in dem mächtigen Rundbau mit meterdicken Außenmauern das Estnische Meeresmuseum | 10 .00 – 19.00 Uhr, 6 Euro | weitere Infos
(3) Olaikirche: Benannt ist die im 13. Jh. errichtete Kirche nach dem norwegischen König Olav II. Haraldsson, der als ein Beschützer der Seefahrer betrachtet wird. Zwischen 1549 und 1625 soll der Kirchtrum mit 159 Metern das höchste Gebäude der Welt gewesen sein – was allerdings umstritten ist. Heute misst der Turm 124 Meter und muss über 232 enge Steinstufen mühsam „erklettert“ werden. Von oben hat man alkerdings beste Aussichten hinauf zum Domberg einerseits und hinunter zum Hafen auf der anderen Seite. | 10.00 – 18.00 Uhr, 3 Euro Eintritt | weitere Infos
(4) Rathausmarkt: Das Zentrum der Altstadt von Tallinn. Auf dem großen Platz in der Unterstadt herrscht bei gutem Wetter stets ein quirliges Treiben. Neben Marktständen findet man am Rande und in den angrenzenden Gassen zahlreiche Geschäfte, Restaurants und Cafés. Beherrscht wird die Szenerie von dem markanten im gotischen Stil Anfang des 14. Jahrhunderts fertiggestellten Rathaus, das auch besichtigt werden kann. | Gegenüber befindet sich – ein wenig versteckt – mit der Ratsapotheke, die älteste Apotheke der Welt. Im selben historischen Gebäude befindet sich das Restaurant Balthasar, in dem alle Gerichte mit Knoblauch zubereitet werden. Ebenfalls in der Nähe befindet sich das Kehrwieder, ein Café mit Chocolaterie.
(5) Domberg: Das Zentrum der Oberstadt von Tallinn, das durch malerische Gassen vom Rathausmarkt kommend erreicht wird. Am besten man orientiert sich beim „Aufstieg auf den 50 Meter hohen Berg an der nicht zu übersehenden russisch-orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale, die kostenfrei besichtigt werden kann. Direkt gegenüber im Tallinner Schloss befindet sich heute das Parlament von Estland, das – genauso wie der bekannte Wachturm „Langer Hermann“ – nur bei besonderen Anlässen besichtigt werden kann. Der Tallinner Dom, eigentlich „Tallinner Bischöfische Domkirche“, ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert, kann dagegen kostenpflichtig besichtigt werden. Auch hier lohnt sich der Aufstieg auf den 69 Meter hohen Glockenturm mit besten Aussichten auf die Unterstadt und den Hafen.
Weitere Informationen zu Tallinn und Tipps für den Aufenthalt: Visit Estonia – offizielles Tourismusportal Estlands in deutscher Sprache und Visit Tallinn – Webportal des Tallinner Touristeninformationszentrum
Historie und Status: Der Hafen wurde bereits Mitte des 11. Jh. angelegt. Zu der Zeit begann vom damaligen Reval aus der Handel mit anderen Ostseeanrainern. Der Name Tallinn, den die Stadt seit der Eroberung durch den dänischen König Waldemar 1219 im Estnischen trägt, bedeutet so viel wie „Dänische Stadt“ oder „Dänische Burg“. Über viele Jahrhunderte wurde die estnische Bevölkerung von fremden Herren regiert, zuletzt bis zur ersten Unabhängigkeit im Jahr 1918 von Russland. Im Zweiten Weltkrieg kamen die Russen wieder, wurden zwischen 1941 und 1944 verbunden mit viel Leid für die Bevölkerung von der Deutschen Wehrmacht verdrängt, bevor die Sowjetmacht Estland erneut besetzte und bis zur „singenden Revolution“ im Jahr 1990 als Estnische SSR ihrem Territorium einverleibte. Heute gehört Estland zu den fortschrittlichsten Staaten Europas. Die nahezu landesweite Versorgung mit „schnellem Internet“ ist Grundlage für viele Unternehmen, die erfolgreich international in der Hightech-Branche agieren. Zentrum ist die Hauptstadt Tallinn, in der mit 430.000 Einwohnern allein ein Drittel der estnischen Bevölkerung lebt.
Zahlungsmittel und Preise: Estland ist seit 2004 Mitglied der EU und seit 2011 ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. Zudem werden fast überall Girocard (Electronic Cash) und/oder Kreditkarten akzeptiert. Der kleinste der drei baltischen Staaten ist längst kein „Billigland“ mehr. Insbesondere in Tallinn müssen Sie mit Preisen rechnen, die im Durchschnitt nur wenig unter dem Niveau deutscher Großstädte liegen. Günstig und in guter Qualität können hier Wollsachen (Pullover, Jacken, Mützen, Schals etc.) und Bernstein-Produkte eingekauft werden.
Verkehr und Sicherheit: In Tallinn ist die Altstadt nur etwa 1,5 Kilometer vom Hafen entfernt. | Wenn Sie in Tallinn zu Fuß unterwegs sind, denken Sie an gutes, festes Schuhwerk. Das Kopfsteinpflaster in den Gassen der Altstadt ist eine dauerhafte Härteprüfung für Hühneraugen an den Füßen. Wer nicht zu Fuß gehen möchte, kann kostenpflichtige Shuttle-Busse der Kreuzfahrtschiffe oder Taxen nehmen. Darüberhinaus besteht keine Notwendigkeit für die Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs. Da an manchen Tagen im Sommer bis zu fünf große Kreuzfahrtschiffe und zusätzlich Fähren mit Tagestouristen aus Helsinki im Hafen festmachen, ist die historische Altstadt regelrecht überfüllt. Es hat sich gezeigt, dass dieser Andrang nach der Mittagszeit deutlich abnimmt, weil viele Kreuzfahrtgäste ihr Essen an Bord einnehmen und anschließend nicht in die Stadt zurückkehren. | Tallinn gilt grundsätzlich als sichere Stadt. Vorsicht vor Taschendieben ist – wie überall in touristischen Zentren – dennoch geboten.