Klaipėda: Entdeckungen am Kurischen Haff
Die litauische Hafenstadt gleicht fehlende historische Sehenswürdigkeiten der Extraklasse durch ihre malerische Lage am Kurischen Haff mühelos wieder aus. Neben einem Bummel durch die malerische Altstadt von Klaipėda lohnt sich daher unbedingt die kurze Überfahrt zur Kurischen Nehrung mit ihren breiten Sandstränden an der Ostsee. Direkt zu den Tipps für Klaipėda
Kapitän Thomas Roth muss Mein Schiff 1 schon rechtzeitig „bremsen“, damit er Klaipėda nicht „umfährt“. Das ist sicherlich eine flapsige, jedoch zutreffende Beschreibung für den Liegeplatz von Kreuzfahrtschiffen im größten Hafen Litauens. Von der Gangway sind es nur wenige hundert Meter bis zum Theaterplatz, dem Zentrum der mit etwa 160.000 Einwohnern drittgrößten Stadt des Baltischen Staates, der seit 2004 EU-Mitglied ist und wo seit 2015 mit Euro offiziell gezahlt wird.
Auf dem Platz steht vor dem Theater ein Brunnen mit dem Denkmal für den litauischen Dichter Simon Dach, der im Jahr 1636 aus Anlass der Hochzeit einer Anna Neander aus Tharau die ursprüngliche Fassung des Gedichts – und späteren Liedes – „Ännchen von Tharau“ geschrieben haben soll. Inzwischen gibt es allerdings Zweifel an der Urheberschaft Dachs. Sei’s drum: Auf dem Denkmal steht jedenfalls die Figur der Protagonistin und gleich daneben spielt ein kleines Mädchen auf seiner Geige die 1827 von Friedrich Silcher komponierte Melodie dazu. Die umstehenden Touristen sind gerührt und werfen reichlich Kleingeld in den geöffneten Geigenkasten, den die kleine Musikerin neben sich platziert hat.
Das „Ännchen“ ist wohl das meistfotografierteste Objekt in Klaipėda. Dabei gibt es noch weitere lohnenswerte Motive. So wie die Meridianas zum Beispiel. Das 1948 in Finnland gebaute frühere Segelschulschiff liegt an der Dané, dem Fluss, der die Altstadt von Klaipėda teilt. Zur Überquerung gibt’s mehrere Zugbrücken. Die originellste Konstruktion ist allerdings am Burggraben zu finden, der auf dem Weg vom Schiff zum Theaterplatz überquert werden muss. Um die Fahrt für Schiffe freizugeben, wird die 1855 errichtete Grandiniu Dreh-Brücke von zwei Arbeitern per Hand gedreht. Bei dem Aufenthalt am Samstag hatte ich das Glück, die Drehprozedur mit meiner Kamera mitverfolgen zu können.
Litauer sind traditionsbewusst. Selbst junge Leute singen heute noch Lieder in der eigenen Sprache, die zu Sowjetzeiten – bis 1990 – zumindest offiziell verpönt war. Mein Schiff 1-Gäste konnten sich am Samstagvormittag bei ihren Spaziergängen selbst ein Bild von der Freude der heimischen Bevölkerung an den eigenen Tänzen und Liedern machen, die vor dem alten Rathaus der Stadt bei einem Wettbewerb aufgeführt wurden. Das 1782 erbaute Rathaus ist durchaus geschichtsträchtig: Hier residierte Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit seiner Gattin Luise in den Jahren 1807 und 1808 auf ihrer Flucht vor Napoleon.
Geradezu eine Pflicht ist es, bei einem Aufenthalt in Klaipėda auch die Kurische Nehrung zu besuchen. Das ist die schmale, 98 km lange Halbinsel, die das Kurische Haff von der Ostsee trennt. Neben der Anlegestelle für die Kreuzfahrtschiffe – allerdings auf der anderen Seite des Flusses Dané – startet die alte Fähre, die Fußgänger und Radfahrer für nur 1 Euro (Hin- und Rückfahrt) zu dem bereits auf der Nehrung gelegenen Stadtteil Smiltyné befördert.
In Smiltyné angekommen sind es noch 800 Meter zu Fuß über einen betonierten Weg bis zum breiten und weißen Sandstrand. Einem wunderbaren Strandnachmittag könnte höchstens das Wetter entgegenstehen. Durchgehend strahlender Sonnenschein mit Temperaturen knapp über 20 Grad – so wie ich es am Samstag antraf – ist hier im Baltikum mehr die Ausnahme als die Regel.
Wer so schönes Wetter hat, kann auch überlegen, per Taxi oder Linienbus in das 50 Kilometer südlich gelegene Nida zu fahren. Das touristische Zentrum auf der Kurischen Nehrung hat wegen seiner – im wahrsten Sinne des Wortes – Hohen Düne einige Berühmtheit erlangt. Der französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre soll beim ersten Anblick der Dünen von Nida im Jahr 1965 gesagt haben: „Es fühlt sich an wie der Eingang zum Paradies“. Auch der deutsche Autor Thomas Mann fühlte sich von diesem Ort angezogen und richtete hier 1929 sein Sommerhaus ein.
Zurück nach Smiltyné: Für die – zumeist deftige litauische – Verpflegung ist sowohl am Strand selbst als auch auf dem Rückweg zur Fährstation mehrfach gesorgt. Die Preise für Essen und Trinken in Strand- und Gartenlokalen sind gemessen am Niveau deutscher Seebäder ausgesprochen günstig. Nach meinen Beobachtungen hat allerdings das Servicepersonal den – bereits im Jahr 1991 offiziell vollzogenen – Sprung von der Plan- in die Marktwirtschaft noch nicht vollends verinnerlicht.
Ich habe auf meinen ausgezeichneten Käsekuchen nebst Cappuccino an einem Standimbiss unendlich lange warten müssen, obwohl die schon reifere Frau hinter dem Tresen nichts anderes zu tun hatte, als sich nach jedem zweiten Handgriff mit ihrer völlig nichtstuenden Kollegin auszutauschen. Schon am Mittag hatte ich in der Nähe des Segelschiffes beobachtet, wie ein Tretbootvermieter 16 Gäste der Mein Schiff 1 zehn Minuten mit der Begründung warten ließ, dass seine Verleihstation erst um 12.00 Uhr öffnet.
Die kleinen Unzulänglichkeiten können meinen insgesamt sehr positiven Eindruck vom Aufenthalt in Klaipėda überhaupt nicht schmälern. Der Rundgang durch die Altstadt am Vormittag, für den zwei Stunden ausreichen, und der anschließende Besuch im Stadtteil Smiltyné auf der Kurischen Nehrung, sorgen für einen vollends erfüllten Ferientag, der durch einen „Kuss“ des Bronzemädchens am Hafen noch abgerundet wird. Zur Erklärung: Bučinys (Der Kuss) ist eine von etwa 60 Skulpturen in der Altstadt und am Hafen von Klaipėda. Zudem gibt es noch einen Skulpturen-Park am Rande der Altstadt mit über 100 weiteren Exponaten. Das sind noch mehr Gründe die litauische Hafenstadt in Reisepläne aufzunehmen.
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Stand der Informationen: 15. Juli 2018. Alle nachfolgenden Angaben wurden vor Veröffentlichung sorgfältig geprüft. Eine Gewähr für die Richtigkeit bzw. Aktualität (z.B. von Öffnungszeiten und/oder Eintrittspreisen) kann nicht übernommen werden. Falls Sie falsche bzw. unvollständige Informationen entdecken, schicken Sie mir bitte eine E-Mail an@horst-mueller.de
(1) Cruise Terminal: Der Begriff ist übertrieben. Es ist einfach eine lange Pier direkt vor der Altstadt von Klaipėda, die genügend Platz für große Kreuzfahrtschiffe bietet. Meistens sind auch Vertreter der städtischen Touristeninformation anwesend, die Prosekt- und Kartenmaterial kostenlos parat halten. Man geht von der Pier entlang der Dané, dem Fluss, der die Altstadt von Klaipėda teilt, kreuzt die von Hand betriebene Grandiniu Drehbrücke und erreicht den…
(2) Theaterplatz: Das Zentrum der Altstadt von Klaipėda mit dem Simon-Dach-Brunnen und der Ännchen von Tharau-Statue vor dem altehrwürdigen Theater. Beim Bummel durch die Stadt sollte man immer wieder auf die Statuen und Skulturen achten, die – wie das „Goldene Mäuschen“ in der Nähe des Theaterplatzes manchmal nur winzig sind.
(3) Meridianas: Das frühere Segelschulschiff ist das Wahrzeichen von Klaipėda. Die schönsten Bilder von dem Dreimaster „schießt“ man von der Börsenbrücke. Auf der anderen Flussseite steht die monströse Arche, ein Granitdenkmal, das der Vereinigung von Litauen mit dem Memelgebiet gewidmet ist.
(4) Hauptpost (Alte Post): Der 1893 fertiggestellte Gebäudekomplex am Rande der Altstadt liegt in der Lindenstraße, wo es auch Bausubstanz bis zurück ins 17. Jh. zu sehen gibt. Im Turm des Postgebäudes befindet sich ein Glockenspiel mit 48 Glocken, das Samstag- und Sonntagmittag jeweils für 30 Minuten ertönt. Wir gehen zurück an die Dané und schlendern jetzt am anderen Flussufer in Richtung Hafen.
(5) Altes Rathaus: Das – im Vergleich zu Abbildungen – überraschend kleine Gebäude steht am Ende des Parkgeländes. Hier residierte 1806 und 1807 Friedrich Wilhelm III. von Preußen, weil Napoleons Truppen zu dieser Zeit in Berlin waren. Vor dem Rathaus gibt’s im Sommer häufig Folkloreveranstaltungen. Auf dem Weg zur Fähre sollte noch ein Fotostop auf der letzten Brücke vor dem Hafen eingelegt werden. Hier lassen sich gute Motive vom Hafen finden.
(6) Fährstation Klaipėda: Die Personenfähre, die auch Fahrräder befördert, überquert zweimal in der Stunde das Kurische Haff in Richtung Smiltyne, dem Stadtteil von Klaipėda auf dem Kurischen Haff. Die Überfahrt dauert etwa 10 Minuten und kostet 1 Euro, einschließlich Rückfahrt. Man sollte sich unbedingt einen Platz im nicht überdachten Bereich in Fahrtrichtung links suchen. Dann lassen sich bei der Überfahrt auch gute Fotos vom „eigenen“ Kreuzfahrtschiff an der Pier machen.
(7) Fährstation Smiltyne: Hier gibt’s einige Imbissstände, die vor allem deftige litauische Kost und Burger anbieten. Bis zum wundervollen Sandstrand auf der anderen Seite der Kurischen Nehrung sind es nur 800 Meter Fußweg. Wer noch mehr von der Kurischen Nehrung entdecken will, kann von hier aus auch per Taxi nach Nida fahren. Das touristische Zentrum der Kurischen Nehrung liegt knapp 50 Kilometer südlich und ist vor allem durch die Hohe Düne bekannt. Die Fahrt führt allerdings fast ausschließlich durch Wald – und nicht etwa an einer der beiden Küsten entlang (Haff bzw. Ostsee).
(8) Strand: Weit, fast weiß, einfach schön ist der Strand an der Ostseeseite der Kurischen Nehrung. Auch hier gibt’s einige Restaurants und Bars falls sich Hunger und/oder Durst einstellen sollten. Wer statt sonnenbaden lieber am Strand wandern will, geht rund 4 km um die Nordspitze der Nehrung und erreicht dann auf der Haff-Seite das…
(9) Litauische Meeresmuseum: Angeliedert sind das Aquarium und ein Delphinarium, die ich allerdings nur besuchen würde, wenn ich (zu) viel Zeit übrig hätte. Das ist allerdings bei dem zuvor aufgezeigten „Programm“ kaum wahrscheinlich.
Weitere Informationen zu Klaipėda und Tipps für den Aufenthalt: Klaipėda Tourismus- und Kulturzentrum – Onlineportal in deutscher Sprache.
Historie und Status: Mitte des 13. Jh. wurde die Memelburg hier im Delta des gleichnamigen Flusses vom Deutschen Ritterorden erobert. Kurze Zeit später erhielt Memel durch Lübeck das Stadtrecht. Im 17. und 18. Jh. wurde die Stadt mehrfach von Schweden erobert. Zu Beginn des 19. Jh., konkret 1807 und 1808, war Memel sogar vorübergehend Hauptstadt des Königreichs Preußen, weil Berlin von Napoleons Truppen besetzt war. Im Jahr 1923 wurde Memel endlich Litauen zuerkannt. Nach der Besetzung durch Deutsche Truppen von 1939 bis 1944 wurde Litauen nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Litauische SSR Teil der Sowjetunion und Memel erhielt den Namen Klaipėda, der „Brotstadt“ bedeutet. Nach 1945 wurde die Stadt ein bedeutender Ostseehafen für die UdSSR, insbesondere weil hier – geschützt durch das Kurische Haff – ganzjährig ein eisfreier Zugang möglich ist.
Seit der erneuten Unabhängigkeit Litauens im Jahr 1990, stellte die Umstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft auch die Menschen in Klaipėda vor große Herausforderungen, die bis heute nicht ganz überwunden sind. Dennoch gilt Litauen mit seinen 2,8 Mio. Einwohnern als wirtschaftlich und politisch stabiler Partner innerhalb der EU, deren Mitglied der baltische Staat seit 2004 ist. In Klaipėda leben etwa 160.000 Menschen. Die offizielle Sprache ist Litauisch. Darüber hinaus sind auch Russisch, Deutsch (bei älteren Menschen) und Englisch als Fremdsprachen verbreitet. Hinweisschilder und auch Werbetafeln sind fast ausschließlich in litauischer Sprache zu finden.
Zahlungsmittel und Preise: In Litauen wird seit 2015 offiziell mit Euro bezahlt. Für den Landgang in Klaipėda empfehle ich Euro in kleiner Stückelung (bis 20 Euro-Scheine) mitzunehmen, da es an Souvenir- und Imbissständen, Taxen oder an der Fähre nach Smiltyne bei der Bezahlung mit zu großen Scheinen erfahrungsgemäß Probleme gibt. Giro- und/oder Kreditkarten werden nur in größeren Geschäften oder gehobenen Restaurants akzeptiert, jedoch nicht an Straßenständen oder für Taxifahrten.
Das Preisniveau für Leistungen, die Touristen üblicherweise in Anspruch nehmen (Restaurant, Café, Taxi, Souvenirs), liegt in Klaipėda bei etwa zwei Drittel des deutschen Niveaus. Litauen gehört (noch) zu den preisgünstigsten Ländern in der EU.
Verkehr und Sicherheit: Die Altstadt von Klaipėda hat eine so überschaubare Größe, dass man hier keine Verkehrsmittel benötigt. Allerdings sollten Sie gutes Schuhwerk anziehen, weil auch Kopfsteinpflaster zu „überwinden“ ist. Alternativ können Sie auch Taxen nutzen, die günstig und zuverlässig sind. Für die Fahrt nach Smiltyne, dem Stadtteil auf der Kurischen Nehrung, ist die Personenfähre, die man bereits vom Kreuzfahrtschiff aus sieht, die einzige Möglichkeit. Hin- und Rückfahrt kosten 1 Euro. Die Fahrscheine bekommt man an leicht bedienbaren Ticketautomaten vor der Fähre.
Wie in allen baltischen Staaten, war auch in Litauen nach der politischen Wende in den 1990er Jahren Straßenkriminalität verbreitet. Inzwischen gilt das Land – und auch die Hafenstadt Klaipėda – als sicher, so dass Sie sorglos – aber nicht unvorsichtig im Hinblick auf Taschendiebe – Ihren Entdeckungen am Kurischen Haff nachgehen können.