Groningen liegt zu unseren Füßen

Hinweis: Durch Aufruf der vorstehenden Rubrik Groningen-Zentrum mit der Umschalttaste werden von Google auch Daten über die Nutzung der Kartenfunktionen durch Besucher erhoben, verarbeitet und genutzt. Weitere Hinweise finden Sie in der Datenschutzerklärung.

Atemberaubende Aussichten, Kanäle so schön wie in Amsterdam, ein sensationelles Kulturzentrum und abends viel los. Groningen ist ein ideales Ziel für Kurzreisen. Wir waren im Herbst 2022 für vier Tage in der nordniederländischen Metropole – ganz bestimmt nicht zum letzten Mal. 

Das Zentrum von Groningen ist von Kanälen umgeben

Ziel ist die Binnenstad

Das Zentrum von Groningen erreichen wir aus Richtung Ostfriesland kommend an der Schuitendiep. Die einspurige Straße liegt am Kanal „A“, der die knapp 1,4 km2 große „Binnenstad“ umgibt. Unser erster Eindruck: Hier sieht’s aus wie an den Grachten von Amsterdam. Vielleicht nicht ganz so eng bebaut und längst nicht von so vielen Touristen übersät, wie in der niederländischen Hauptstadt. Dafür sehen wir an diesem sonnigen Herbsttag überall junge Menschen, die auf Fahrrädern an uns vorbeirauschen oder in den Cafés am Grote Markt sowie in den angrenzenden Straßen und Gassen angeregt diskutieren.

Das 235.000 Einwohner zählende Groningen ist die jüngste Stadt der Niederlande. Hier liegt das Durchschnittsalter bei 36 Jahren, landesweit sind es fünf Jahre mehr. Grund dafür sind vor allem die vielen Studenten, die das Stadtbild insbesondere in den Abendstunden prägen. An der schon 1614 gegründeten Rijksuniversiteit und an der Hanzehogeschool, die einer deutschen Fachhochschule entspricht, sind zusammen über 50.000 Studenten eingeschrieben. Viel Jugend also in einer alten Stadt, die schon um 300 v. Chr. mit ersten Ansiedlungen ihre Anfänge nahm. Seit dem 7. Jh. ist das heutige Zentrum um de Grote Markt – dem Großen Markt [1] – dauerhaft bewohnt. 

Das Stadhuis (Rathaus) am Grote Markt

Martinitoren: Interaktiver historischer Glockenturm

Hier beginnen wir auch unsere Besichtigungstour. Allein für das kanalumsäumte Stadtzentrum haben wir zweieinhalb Tage eingeplant und stellten am Ende fest, dass wir längst noch nicht alles gesehen haben, was die Binnenstad zu bieten hat. Direkt am Grote Markt befindet sich das Stadhuis – das zwischen 1775 und 1810 erbaute Rathaus von Groningen. Auf der gegenüberliegenden Seite des großen Platzes rückt mit dem Martinitoren [2] die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit Groningens ins Blickfeld. Es ist der in der zweiten Hälfte des 15. Jh. errichtete Turm der Martinikerk. Wegen der gewaltigen Dimensionen mit einer Höhe von 97 m und dem vergleichsweise kleinen gotischen Kirchenbau kann hier auch getrost von einem „Turm mit anhängender Kirche“ gesprochen werden.

Vor dem Eingang werden wir von einem jungen Mitarbeiter der Kirchenverwaltung angesprochen. Hilfsbereit erspart er uns nicht nur das kompliziert erscheinende Lösen der Tickets (6 €/Person) am Automaten, sondern erklärt uns, was wir beim Aufstieg alles unternehmen können. Tatsächlich, auf dem Weg über die 251 steinernen Treppenstufen nach oben, gibt es immer wieder gute Gründe Pausen einzulegen: So können wir nicht nur die gewaltigen Glocken im Turm auf Augenhöhe bestaunen, sondern deren Klänge auf einem interaktiven Board nachahmen. Auf der nächsten Etage gibt’s ein Glockenspiel, auf dem Inge „Hänschen klein“ zum besten gibt. Allerdings gelingt es uns dann trotz gemeinsamer familiärer Kraftanstrengungen nicht, durch Ziehen an einem herabhängenden Glockenseil der Kirchenglocke in der Etage darüber auch nur einen Ton zu entlocken.

Das ist für uns neu – ein interaktiver historischer Glockenturm, der dazu auch noch beste Aussichten bietet. Ziemlich weit oben – zwischen den Ziffernblättern der Turmuhr – ist die Aussicht allerdings etwas eingeschränkt. Hier fallen uns jedoch ziemlich originell und auch passende Beschriftungen auf den Bänken auf, die hier für die wackeren Turmkletterer zum Ausruhen aufgestellt wurden. „Groningen ligt aan je voeten“ steht in dunkelroten Großbuchstaben auf einer dieser Bänke. Prima – damit haben wir auch schon einen passenden Titel für dieses Reise-Feature: „Groningen liegt Ihnen zu Füßen“. 

Martinikerk mit dem Martinitoren

Wir klettern über die Steinstufen wieder 19 Höhenmeter nach unten und erreichen den viereckig um den Turm verlaufenden Wehrgang in 39 m Höhe. Von hier haben wir fantastische Ausblicke in alle Himmelsrichtungen. Im Osten können wir in gut 40 km Entfernung sogar die deutsche Hafenstadt Emden zumindest schemenhaft sehen. Noch reizvoller finden wir allerdings die naheliegenden Aussichten aus luftiger Höhe auf das Stadhuis – das Rathaus – auf der gegenüberliegenden Seite des Großen Marktes. Auf der anderen Seite des Rundgangs werfen wir einen ersten Blick auf das imposante Forum [3], das nur 150 m Luftlinie entfernt ist.

Forum: Gigantischer Hinkelstein im Zentrum

Groningens ultramoderner Prachtbau ist ein für jedermann kostenlos zugängiges Kulturzentrum auf zehn Etagen, das erst im November 2019 eröffnet wurde. Der Bau habe irgendwie Ähnlichkeit mit einem „gigantischen Hinkelstein von Obelix“ ist in einem Artikel nachzulesen, der u.a. vom „Münchner Merkur“ zeitgleich mit unserem Besuch in Groningen veröffentlicht wurde. Tatsächlich würde der 45 Meter hohe klotzige Bau wohl in allen Weltmetropolen große Aufmerksamkeit erregen. In Groningen umso mehr, weil das „Forum“  hier nicht von Wolkenkratzern umgeben ist, sondern von typisch niederländischen Backsteinhäusern mit höchstens drei Geschossen und weißen Giebeln. 

Wie ein riesiger Hinkelstein: Das Kulturzentrum Forum

Man muss das „Forum“ selbst gesehen und erlebt haben – beschreiben lässt sich diese kulturelle Erlebniswelt nur unzureichend: „Es ist ein universeller Ort für Veranstaltungen wie Talkshows, Vorträge, Debatten, Filme, Dokus, Kurse, Workshops, Festivals, Feste und Ausstellungen. Darüber hinaus beherbergt es mehrere Cafés, ein Restaurant, Plätze zum Lernen und Arbeiten, Konferenzräume, interaktive Installationen sowie natürlich die Sammlung der Stadtbibliothek“, ist auf der ⇒ offiziellen Website der Stadt Groningen nachzulesen. 

Einen halben Tag sollte man für den Besuch einplanen, um neben den vielen Angeboten und Möglichkeiten im Center auch noch die Dachterrasse ausgiebig genießen zu können – zumindest bei schönem Wetter.  Die erstreckt sich über die zwei obersten Etagen und bietet sogar noch schönere Aussichten als der Kirchturm nebenan. Schließlich kann man oben vom Forum, aus 45 m Höhe, auch die komplette Martinikerk samt Turm bestens sehen und fotografieren.

Familienausflug nach Groningen

Auf die Idee, nach Groningen zu reisen, hatte mich schon vor zwei Jahren die wundervolle Sängerin ⇒ San Glaser gebracht. Während unseres Engagements auf Mein Schiff 2 schwärmte sie immer wieder so sehr von ihrer Heimatstadt, dass mir Groningen wie ein erreichbares Sehnsuchtsziel erschien. Nach einer coronabedingten Absage im Sommer 2021 haben wir’s jetzt endlich geschafft und Mitte September 2022 unseren jährlichen Familientrip in die nordniederländische Metropole gemacht. Dieses Selfie mit Julia, Inge und Horst entstand auf der Aussichtsplattform des Martinitoren, dem Turm der Martinikerk im Zentrum von Groningen.

Enttäuschung auf dem Fischmarkt

Dreimal in der Woche, jeweils am Dienstag, Freitag und Samstag zwischen 09.00 und 17.00 Uhr gibt’s den Vismarkt, also den Fischmarkt [4] auf dem gleichnamigen länglichen Platz im Zentrum von Groningen. Tja, wir hatten uns auf ein buntes Treiben – so ähnlich wie auf dem sonntäglichen Hamburger Fischmarkt gefreut und waren ziemlich enttäuscht. Wir erlebten den an sich  bekannten Groninger Vismarkt als eher eintönigen Wochenmarkt, auf dem uns nicht einmal die Kibbeling-Stände anlocken konnten. Als Kibbeling werden hier in Backteig frittierte Kabeljau- oder Seelachsfilets bezeichnet, die mit Knoblauchdips oder einer Remouladensauce auf Papp- oder Plastiktellern serviert werden. Meistens gibt’s auch noch eine Portion Fritjes dazu. Wie eigentlich überall in den Niederlanden schmecken auch in Groningen die knusprigen Pommes Frites besonders lecker. 

Fritjes - die knusprigen Pommes Frites der Niederländer

Der Vismarkt wird begrenzt durch die Korenbeurs (Kornbörse), ein imposantes Gebäude, das zur Blütezeit des Getreidehandels in Groningen, Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Wir biegen etwa auf der Mitte des Vismarkts in die lebhafte Folkingestraat [5] ein, die schon mal  zur schönsten Einkaufsstraße der Niederlande gekürt wurde. Tatsächlich finden wir in dieser Gasse hübsch gestaltete Geschäfte, Boutiquen, Cafés und Restaurants mit zum Teil bunten und verzierten Fassaden. Die in den Boutiquen angebotene Mode kann allerdings weder Inge noch Julia wirklich überzeugen, sodass es beim reinen Schaufensterbummel bleibt. Zumindest könnten wir hier eine Kaffeepause einlegen und dazu einen typisch holländischen Apfelkuchen essen. 

Die schönsten Abschnitte des Kanals

Auf Empfehlung eines früheren Kommilitonen von Julia genießen wir unsere Appeltaart mit viel Sahne dann allerdings in noch hübscherer Umgebung direkt am Kanal im Museum café Het Pomphuisin [A]. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum  schönsten Abschnitt des Ringkanals, der als Hoge der A und Lage der A [6] bezeichnet wird. Das älteste Hafenviertel der Stadt mit seinen gut erhaltenen Speicherhäusern hatte früher eine direkte Verbindung zur Nordsee und war deswegen auch von Ebbe und Flut abhängig. Damit Schiffe damals unabhängig von den Wasserständen beladen und gelöscht werden konnten, baute man mit „Hoge der A“ einen hohen Anleger für die Flut und auf der gegenüberliegenden Seite mit „Lage der A“ einen niedrigen Anleger für die Ebbe.

Der schönste Teil des Ringkanals: Hoge der A (links) und Lage der A (rechts)

Von „Hoge der A“ aus könnt ihr fast durchgehend am Kanal entlang einmal die Groninger Binnenstad umrunden – das ist eine Strecke von kaum vier Kilometern. Wenn ihr das im Uhrzeigersinn macht, kommt ihr nach einem Kilometer zum Prinsenhof [7]. Das heutige 4-Sterne Boutique-Hotel gilt als eines der schönsten historischen Gebäude Groningens. Es wurde ursprünglich schon im 15. Jh. als großzügiges Wohnhaus errichtet, später zu einer Kirche ausgebaut, bevor hier 1569 der erste Bischof von Groningen seine Residenz einrichten ließ. Nach seinem Tod wurde der Palast zum ‘Herrenhof’ umgebaut. Im 17. Jahrhundert kam noch der Prinsentuin, der Hofgarten, dazu. Unter der im 18. Jh. installierten Sonnenuhr erreichen auch Nicht-Hotelgäste den hübsch angelegten früheren Lustgarten, in dem sich einst die Hofdamen die Zeit vertrieben. 

Porzellan im Museum - Fliesenbilder im Bahnhof

Weiter geht’s im Osten der Binnenstad am Kanal entlang. Nachdem wir die Brücke zum Oosterpoort überquert haben, stoßen wir im Süden des Kanalrings auf einen bunten, futuristisch anmutenden  Gebäudekomplex, der von weitem wie ein Kunstwerk aus Legosteinen wirkt. Das 1994 von der damaligen Königin Beatrix eröffnete Groninger Museum [8] ist die Heimstätte für Kunst, Design und Kunstgeschichte. Dabei sind die Räume innen mindestens ebenso bunt und unkonventionell gestaltet wie es das Äußere bereits erahnen lässt. Bekannt ist das Museum unter anderem auch für seine chinesische und japanische Porzellansammlungen. Schräg gegenüber auf der anderen Kanalseite befindet sich der Hauptbahnhof – Hoofdstation [9]  mit einem der schönsten Bahnhofsgebäude der Niederlande aus dem 18. Jh. Es ist vor allem die Halle mit Fliesenbildern des Groninger Künstlers F.H. Bach, die den Bahnhof so sehenswert macht. 

Der futuristische Gebäudekomplex des Groninger Museums

Wer das Groninger Zentrum nicht zu Fuß am Kanal umrunden möchte, kann vor dem Hauptbahnhof auch zu einer einstündigen Bootstour [B] starten. Während das flache Ausflugsboot in gemütlichem Tempo lautlos durch den Ringkanal gleitet, gibt’s immer wieder gut verständliche Erklärungen auch in deutscher Sprache, wenn Sehenswürdigkeiten in Sicht kommen. Kurz vor Ende der Tour wird dann auch noch ein Abstecher in den Eemskanaal gemacht, der am „Tasmantoren“  endet. Dieses im Jahr 2010 eröffnete 75 m hohe Apartmenthaus wirkt mit dem riesigen viereckigen Loch in der Mitte wie ein moderner Triumphbogen und ist allemal ein weiteres schönes  Fotomotiv aus Groningen.

Tipps für Anreise, Unterkunft und Verpflegung

Von Deutschland aus erreicht ihr Groningen per Bahn und/oder Bus. Wer mit dem eigenen Pkw kommt, findet bezahlbare Garagenplätze am Rande der Binnenstad, beispielsweise am Oosterpoort [C] ab zehn Euro pro Tag, wobei wir eine Vorabreservierung empfehlen. Wer mutig genug ist, kann auch ein Fahrrad anmieten. Radfahren ist allerdings wie in allen größeren Städten der Niederlande eine nervenaufreibende Angelegenheit – zumindest für Besucher. Die einheimischen Radler scheinen sich stets in Dauerrennen zu befinden und machen gelegentlich den Eindruck, dass sie selbst an den wenigen Fußgängerüberwegen im Zentrum nur widerwillig bereit sind anzuhalten.

Wir mussten uns auf solche „Radrennen“ nicht einlassen, weil Inge für uns in den ⇒ Gelkinge Hof Apartments [D] eine sehr komfortable Unterkunft inmitten der Binnenstad gebucht hatte. Für die 160 m2 große Ferienwohnung  auf zwei Etagen mit zwei Schlafzimmern und einem riesigen Küchen-Wohnraum haben wir 150 Euro pro Nacht gezahlt. Deutlich preiswerter kann man in Groningen kaum unterkommen, zumindest nicht, wenn man in der Binnenstad nächtigen möchte und auch noch ein wenig Komfort beansprucht. 

Überhaupt – preiswert ist die Metropole im Norden der Niederlande nicht. In Restaurants, Cafés und Kneipen bezahlen wir etwa 20 Prozent mehr als zu Hause in Hamburg – und dort ist es ja bekanntermaßen schon nicht preiswert. Frühstück mit Kaffee, einem kräftigen holländischen Käsebrot und Joghurt gibt’s beispielsweise im Food Matterz Café [E] für 12 Euro. Die freundliche Bedienung ist im Preis eingeschlossen. Trinkgelder werden in den Niederlanden nicht zwingend erwartet. Eine gute Alternative ist das Bagel & Beans [F] , wo es leckere Bagels aus unterschiedlichen Teigsorten und mit verschiedenen Aufstrichen und Belegen gibt. Für ein Tellergericht am Abend muss man in Groningen mit 15 Euro rechnen – beispielsweise für einen sehr bunten Salat in dem von Studenten bevorzugten De Uurwerker [G]. Feiner und teurer könnt ihr fast um die Ecke im Brussels lof [H] dinieren. Für eine üppige Meeresfrüchteplatte, die für zwei Personen bestimmt – aber für drei Personen ausreichend ist, haben wir 80 Euro gezahlt.

Zum Schluss gibt’s dann aber doch noch ein paar Schnäppchen: In der Groninger Kaasboetiek [I] haben wir für 500 g vorzüglichen Holländischen Gouda nur 7 Euro ausgegeben. Gleich nebenan, im traditionsreichen Süßwarenladen Droppie bekamen wir 300 g beste schwarze Salzlakritz für nur 4 Euro. Diese  Mitbringsel hatten wir daheim zwar bald aufgefuttert – die Erinnerungen an die wunderbaren Tage in Groningen sind uns jedoch erhalten geblieben.